Seit 1990 ist die ukrainische Stadt Odessa Partnerstadt von Regensburg. Auch die Caritas ist dort tätig. Ein Gespräch mit dem Direktor der Caritas Odessa, Vasil Kolodtschin.
Herr Kolodtschin, können Sie bitte die aktuelle Situation in Odessa beschreiben?
Die Situation in der Stadt ist zurzeit unter Kontrolle, es ist ziemlich ruhig. Die Sirenen ertönen zwar in regelmäßigen Abständen, aber die Menschen haben im Laufe der vergangenen Tage gelernt, nicht in Panik zu geraten und sich in Bunkern zu verstecken. Außerdem machen die Soldaten, die für unsere Sicherheit sorgen, ihre Arbeit gut.
Wie machen sich die Kampfhandlungen in Odessa bemerkbar?
Wir haben eine Kriegslage, es gilt eine Ausgangssperre. Das ruft natürlich viele logistische Fragen hervor. Es gibt einige Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Lebensmitteln und Medizin. Aber wir versuchen, damit umzugehen.
Was macht die Caritas Odessa zurzeit, um den Menschen zu helfen?
Zurzeit haben wir zwei aktive Projekte: Einmal geht es um die Pflege der Menschen zuhause. Wir versorgen sie mit Lebensmitteln und Medikamenten, weil viele von ihnen eine spezielle Therapie erhalten. Das zweite ist das Kinderprojekt „Zentrum der erfolgreichen Zukunft“. Dabei geht es jetzt vor allem darum, Kinder psychologisch zu unterstützen. Denn viele von ihnen erleben den Militäreinsatz bereits zum zweiten Mal in ihrem Leben. Unsere Psychologen sprechen mit den Kindern online, die Pandemie hat uns ja auf diese Arbeitsweise vorbereitet. Wir versuchen gerade auch, weitere Lebensmittel und Hygienesets zu kaufen, um die Familien in dieser sehr schwierigen Zeit zu unterstützen.
Wie kann man Ihre Arbeit unterstützen?
Im Moment kann ich nur sagen: mit Gebeten. Denn es gibt Momente, die sehr beängstigend sind. Nach dem Ende der Kämpfe werden wir humanitäre Hilfe, also Lebensmittel und Medikamente, benötigen. Aktuell ist es jedoch sehr schwierig, die Bedürfnisse und Herausforderungen einzuschätzen, die auf uns zukommen.
Wie arbeitet die Caritas Odessa in friedlichen Zeiten?
Da bringen wir Kindern im Kinderzentrum Englisch und Programmieren bei. Wir haben weitere Bildungsprojekte, unter anderem für Menschen, die im Zuge der Kampfhandlungen die Krim und den Osten des Landes verlassen mussten. Außerdem unterstützen und beraten wir Kinder in angespannten Familiensituationen, damit sie sich gut entwickeln können – unter anderem durch Ausflüge und psychologische Gruppen für Väter und Kinder. Zwei Projekte haben sich mit dem Thema Menschenhandel beschäftigt, dabei geht es um die Aufklärung der Menschen gegen die Ausbeutung. Wir machen Seminare zur Migration nach Deutschland und helfen Menschen, die von der Pandemie stark betroffen wurden.
Wie viele Mitarbeiter und Freiwilligen haben Sie zurzeit?
Acht Personen aus unserem Team sind noch in Odesa, außerdem haben wir noch fünf Freiwillige, die uns unterstützen. Als der Krieg begann, hatten wir eine Besprechung mit dem gesamten Team, um herauszufinden, wer bleiben und wer die Stadt verlassen würde. Jeder versteht, dass die Sicherheit immer an erster Stelle steht. Ich weiß nicht, was uns heute Nacht erwartet, was morgen oder in den nächsten Tagen passiert. Aber wir werden versuchen, den Menschen so gut wie möglich zu helfen.
Gibt es etwas, was Sie den Menschen in Regensburg sagen möchten?
Wir möchten Ihnen für Ihre Solidarität und Unterstützung danken. Für Ihre klare Haltung. Und wenn das alles vorbei ist und Frieden herrscht, laden wir Sie herzlich ein, unser wunderschönes Odessa zu besuchen. Wir sind eine sehr gastfreundliche Stadt und heißen alle willkommen, die in Frieden zu uns kommen.
Zusatzinfo 3: Caritas Odesa UGCC
Die Caritas Odesa UGCC ist eine lokale Organisation der Caritas Ukraine. Seit 2005 hilft die Organisation in der drittgrößten Stadt in der Ukraine, gelegen am Schwarzen Meer, benachteiligten und kranken Menschen. Sie klärt auch über HIV auf und vermittelt Psychologinnen und Psychologen, Juristinnen und Juristen, Pflegerinnen und Pfleger, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Es gibt eine weitere Caritasorganisation mit dem Namen Caritas Spes Odessa, welche zum Dachverband Caritas Spes zählt.
*Die Caritas Odesa schreibt sich selbst mit einem "s", also: Odesa. Das ist die ukrainische Schreibweise. Die russische Schreibweise "Odessa" ist die in Deutschland bisher übliche und wird daher auch in diesem Text verwendet.
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