Caritas geht den "Dritten Weg"

17.01.2022


Caritas geht den "Dritten Weg"

Fotos: Wagner

Beginnen wir mit einer kurzen Erklärung: Wenn es einen "Dritten Weg" gibt, was sind dann der erste und der zweite? Antwort: Alles dreht sich um die Gestaltung der Bedingungen in der Arbeitswelt, um das Verhältnis von Arbeitgeber und Beschäftigten.

Der so genannte Erste Weg ist die einfache, einseitige Festlegungen der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, quasi von oben nach unten.

Weitgehend bekannt ist der Zweite Weg, hinter dem sich die klassische Systematik eines Tarifvertrages verbirgt. Den Tarifvertrag schließen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft ab – zwei autonome und staatlich unabhängige Verhandlungsparteien. Auf dem Weg dorthin haben beide Seiten das Recht auf die Mittel des Arbeitskampfes: Streiks und Aussperrungen. 

Der Dritte Weg nun setzt stattdessen auf den Konsens der Dienstgemeinschaft. Die kirchlichen Dienstgemeinschaften von Caritas und Diakonie können sich dabei auf Apostel Paulus berufen, der im ersten Korintherbrief betont: Es gibt nur einen Geist (1 Kor 12,4). Akteure des Dritten Wegs sind gleichberechtigt Dienstnehmer und Dienstgeber; für beide gilt der eine, untrennbare „Geist“. Regelungen zu Vergütungsänderungen sind so grundlegend, dass sie einer Dreiviertelmehrheit der Entscheider bedürfen. 

Bietet der Dritte Weg Sicherheit? Das ist sein Anspruch. Verlässliche Arbeitsbedingungen gelten auf der Grundlage eines verbindlichen Regelwerkes, den Arbeitsvertragsrichtlinien Caritas-AVR für alle fast 700.000 Mitarbeitenden in rund 25.000 Einrichtungen und Diensten der Caritas in Deutschland. Das Vergütungswerk schafft Sicherheit auch im Alter – über eine betriebliche Zusatzversorgung, die im Wesentlichen vom Arbeitgeber getragen ist. 

Ist der Dritte Weg eine Schnellspur? Gerade junge Fachkräfte bei der Caritas empfinden das manchmal anders. Manche beklagen sich, dass die Vergütung in anderen Berufen oder bei anderen Trägern höher ist. Für die ersten Berufsjahre kann das zutreffen. Doch bald überholt die Caritasvergütung andere Träger. Im Durchschnitt fahren beispielsweise Pflegekräfte bei in der Langzeitpflege der Caritas deutlich besser: Fachkräfte verdienen knapp zehn Prozent, Pflegeassistenzkräfte 20 Prozent mehr als im Branchenschnitt. Dies liegt daran, dass sich „der Markt“, zu dem sich die Pflege leider in den letzten zwanzig Jahren entwickelt hat, von der ursprünglichen „Leitwährung“ bei der Vergütung, dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD), weit entfernt hat. Die Caritas hält dagegen am TVöD als starke Orientierung fest – in der Altenpflege wie in allen anderen Tätigkeitsfeldern. Für manche Führungskräfte ist bei anderen Trägern finanziell mehr zu holen als bei der Caritas; dafür müssen sie in der Regel in Kauf nehmen, dass ihr Arbeitsplatz unsicherer ist und dass die Unternehmensrendite die zentrale Rolle spielt. Auf lange Sicht fahren auch Führungskräfte bei der Caritas im Dritten Weg vielleicht nicht auf der Schnellspur, aber kommen gut voran und sind sicher unterwegs.   

Führt der Dritte Weg in die Sackgasse? In den letzten Jahren stand der Dritte Weg oft unter Beschuss wie auch aktuell wieder im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition: „Gemeinsam mit den Kirchen prüfen wir, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann.“ Sicher ist der Entwicklungsprozess des Dritten Weges an bestimmten Stellen unbefriedigend langwierig. Ein Beispiel ist die Vergütung des Verwaltungsbereichs, der seit Jahren auf der Reformagenda steht, weil er sich immer noch stark an der alten und veralteten BAT-Systematik des öffentlichen Diensts orientiert. Bei allem Reformbedarf: Sicher gilt immer noch, was die Zeitschrift „Wohlfahrt intern“ nach einem Vergütungsvergleich verschiedener Träger auf Seite 1 stehen hatte: „Caritas schlägt Verdi. Wie die AVR des Dritten Wegs die Gewerkschaftstarife abhängen.“ Die Politik ist im Interesse der betroffenen Mitarbeitenden gut beraten, das Konsensmodell der Kirchen zu stärken. Und die Gewerkschaften könnten anerkennen, dass die Caritas eine ureigene sozialpolitische Forderung erfüllt und ihre Mitarbeitenden fair entlohnt – auch wenn diese keine Gewerkschaftsmitglieder sind.

Dr. Robert Seitz

Der Autor ist Abteilungsleiter Soziale Einrichtungen im Diözesan-Caritasverband Regensburg und Vorstandsmitglied im Verband Katholischer Altenhilfe Deutschland

Besuchen Sie uns auf unseren
Social Media Kanälen:

Caritasverband für
die Diözese Regensburg e.V.
Von-der-Tann-Straße 7
93047 Regensburg

T +49 941 502 10
F +49 941 502 11 25
info@caritas-regensburg.de
www.caritas-regensburg.de