Entlastungspaket stärkt die Krisenresilienz des Landes

09.09.2022


Entlastungspaket stärkt die Krisenresilienz des Landes

Fast jeder Zehnte ist in Deutschland überschuldet. Mit den steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten spitzt sich dieses Problem zu. Lässt sich auch für Menschen an der Armutsgrenze eine Überschuldung vermeiden? Und falls ja, wie? Das kürzlich beschlossene Entlastungspaket federt die Folgen der Gasknappheit ab. Beratungsdienste der Caritas in Regensburg bieten Orientierung und Hilfen an.

Der Übergang zur Überschuldung erfolgt manchmal schleichend, kann aber auch abrupt geschehen. Foto: unsplash.com

Die deutsche Bundesregierung hat vor Kurzem das dritte Entlastungspaket beschlossen. Der deutsche Caritasverband reagierte auf die Einigung erleichtert. Zum Ergebnis des Koalitionsausschusses sagte Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes: "Es ist gut, dass sich die Regierungskoalition auf das dritte Entlastungspaket geeinigt hat und dafür mit 65 Mrd. Euro viel Geld in die Hand nimmt. Die sozialen Folgen der politisch verursachten Gasknappheit werden spürbar abgefedert. Damit hört die Koalition auf die Stimme der Sozial- und Wohlfahrtsverbände, die das seit Wochen mit Nachdruck gefordert haben. Das Konzept von Versorgungssicherheit, dem die Koalition folgt, geht sichtbar über den Einkauf von Gas an den Weltmärkten hinaus. Es geht darum, das Land sicher durch die Krise zu führen. Wir unterstützen die Regierung auf diesem Weg."

Die Beratungsdienste der Caritas leisten hierbei einen wichtigen Beitrag. So informiert die Allgemeine Sozialberatung der Caritas Regensburg Klientinnen und Klienten beispielsweise über finanzielle Hilfen. Wir werden demnächst ausführlich über diesen Beratungsdienst berichten. Denn die stiegenden Preise treffen vor allem jene Menschen hart, die bereits jetzt an der Armutsgrenze leben. Das sind aktuell knapp 14 Millionen Menschen bundesweit, wie aus dem Armutsbericht hervorgeht.

Auch die Insolvenz- und Schuldnerberatung der Caritas hilft, Armut zu vermeiden - indem Wege aus der Schuldenfalle aufgezeigt werden. Doch lässt sich für Menschen an der Armutsgrenze jetzt überhaupt eine Überschuldung vermeiden? Und falls ja, wie? Fünf Fragen an die Schuldnerberaterin Monika Kortus:

Inwiefern wird sich das Thema Überschuldung in Zukunft durch die aktuellen gesellschaftlichen Ereignisse verändern?

Monika Kortus: Vielleicht beginnen wir zuerst mit einer begrifflichen Klärung. Verschuldung ist zunächst ja erstmal nichts Schlimmes, sondern ist in unserer Gesellschaft sehr weit verbreitet und wirtschaftlich ja auch gewollt. Denken Sie nur mal daran, was in unserem Alltag alles auf Raten gekauft wird, wem zum Beispiel sein Auto noch wirklich gehört, wer sein Eigenheim schon abbezahlt hat oder wer noch BaföG-Schulden hat. Wir haben uns von einer Spargesellschaft hin zu einer Kreditgesellschaft entwickelt.

Solange man diese Schulden in dem geplanten Zeitraum auch abtragen kann, ist alles in Ordnung. Problematisch wird es erst dann, wenn das Einnahmen-Ausgaben-Verhältnis ins Ungleichgewicht gerät und man seine Verschuldung nicht mehr in einem angemessenen Zeitraum oder gar nicht mehr zurückzahlen kann. Dann spricht man von einer Überschuldung. Der Übergang zur Überschuldung erfolgt manchmal schleichend, kann aber auch abrupt geschehen. Je nachdem wie er verursacht wird, ob beispielsweise durch plötzlichen Arbeitsplatzverlust, einer schweren Erkrankung, einer Trennung oder einer gescheiterten Selbständigkeit. Viele Menschen leben aber auch schon lange mit einem Niedrigeinkommen oder beziehen Sozialleistungen. In allen Fällen müssen sie mit wenig oder weniger Einkommen auskommen und da ist es fast selbsterklärend, dass die aktuelle Lage mit den steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten eine große Herausforderung wird. Folglich wird es auch Personen treffen, die ohne diese Veränderungen diese Linie zur Überschuldung nicht überschritten hätten. Es ist also anzunehmen, dass die Zahl der überschuldeten Menschen in Deutschland, die aktuell laut Schuldneratlas von Creditreform im Jahr 2021 bereits bei 6,16 Millionen erwachsene Personen bundesweit lag, noch steigen wird.    

Gesprächspartnerin Monika Kortus, Schuldnerberaterin bei der Caritas Regensburg. Foto: H.C. Wagner

Welche Gesellschaftsgruppen werden voraussichtlich besonders von diesen neuen Umständen betroffen sein bzw. in eine finanzielle Notlage gebracht?

Wie ich eben schon geschildert habe, werden die steigenden Energiepreise und Lebenshaltungskosten erstmal die Menschen massiv treffen, welche mit wenig Geld auskommen müssen, wie Rentnerinnen und Rentner mit geringer Rentenhöhe, Alleinerziehende, Sozialleistungsempfängerinnen und -empfänger und Menschen mit Niedrigeinkommen. Ein Mensch, der vom Regelsatz (449 Euro) leben muss, hat aktuell für Strom 36,41 Euro zur Verfügung. Wenn ihm das nicht ausreicht, muss er bei anderen Ausgaben einsparen.

Aber auch andere Gesellschaftsschichten werden zunehmend in Bedrängnis geraten. Von diesen werden Einige zuerst eventuell noch Rücklagen haben, auf die sie zugreifen können. Aber auf Dauer ist ein Haushaltsplan in Schieflage damit auch nicht zu retten. Die gestiegenen Zinsen werden einige zum Umplanen zwingen. Auch die Selbständigen müssen auf diese Veränderungen reagieren. Ich denke, es wird Personen in allen Gesellschaftsschichten betreffen.    

„Ich würde jeder Person raten, zwei bis drei Monate konsequent die Einnahmen und Ausgaben aufzuschreiben oder eine App zu nutzen, um zu sehen, welche Ausgaben getätigt werden. Sie werden vielleicht überrascht sein, für was sie ihr Geld ausgeben.“
Monika Kortus, Schuldnerberaterin bei der Caritas Regensburg

Welche Maßnahmen können von Privatpersonen jetzt schon präventiv getroffen werden, um eine zukünftige Verschuldung möglichst zu verhindern oder zumindest abzuschwächen?

Das A und O ist, die genauen Einnahmen und Ausgaben zu kennen. Das hört sich jetzt vielleicht banal an, aber sind wir doch mal ehrlich: Wer weiß denn exakt, was er so im Monat ausgibt und vor allem für was genau? Solange das Geld über den Monat reicht, ist das auch in Ordnung. In Anbetracht der sich zuspitzenden Situation wird es aber hilfreich sein, den Haushaltsplan - so nennen wir diese Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben - gut zu kennen. An diesem kann man dann gegebenenfalls arbeiten und wichtige Entscheidungen treffen. Ich würde jeder Person raten, zwei bis drei Monate konsequent aufzuschreiben oder eine App zu nutzen, um zu sehen, welche Ausgaben getätigt werden. Sie werden vielleicht überrascht sein, für was sie ihr Geld ausgeben. Sie können dann auch gezielt Entscheidungen treffen, an welchen Stellen sie einsparen können und ihr Einkommen dann für die ihnen wichtigen Dinge verwenden.   

„In unserer Gesellschaft ist das Thema 'Geld' immer noch ein Tabuthema. Es wird wenig darüber gesprochen.“
Monika Kortus, Schuldnerberaterin bei der Caritas Regensburg

Welche Hilfsmöglichkeiten bietet die Schuldnerberatung der Caritas Regensburg für verschuldete Menschen, die sich derzeit noch unsicher sind, ob sie ihr Angebot annehmen möchten?

Meist ist es nicht die Unsicherheit, die betroffene Menschen an dem Schritt hindert sich Rat zu suchen, sondern die Scham. Sie fühlen sich oft als Versager, obwohl in vielen Fällen äußere Umstände für das „finanzielle Scheitern“ ursächlich waren. In unserer Gesellschaft ist das Thema „Geld“ immer noch ein Tabuthema über das noch wenig gesprochen wird. Wichtig ist lediglich, dass man nach außen hin zeigen kann: „Ich kann mithalten“. Überlegen sie selber mal, wie transparent unsere Einkommen besprochen werden? Meist ist der Verdienst sogar familienintern noch ein Geheimnis. In Skandinavien kann jeder online nachsehen, was sein Nachbar verdient. Bei uns wäre das undenkbar.

Unsere Stelle bietet streng vertraulich Beratung an, von Budgetberatung über Informationen zum Schuldnerschutz und zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bis hin zur Schuldenregulierung, die in Form von Zahlungsplänen, Vergleichsverhandlungen bis zur Begleitung ins Verbraucherinsolvenzverfahren stattfinden kann. Wir orientieren uns hierbei immer an den ratsuchenden Personen. Wir informieren und begleiten Menschen und unterstützen sie dahingehend, ihre finanziellen Angelegenheiten wieder selbständig regeln zu können, damit sie wieder voll am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Überschuldung führt nämlich in vielen Fällen zur Isolation.

Abschließend ein kleiner Blick nach vorne: Was werden in den nächsten Monaten voraussichtlich die zentralsten Aufgaben oder Herausforderungen sein, mit denen sich die Schuldnerberatung der Caritas Regensburg auseinandersetzen muss?

Die zentralste Herausforderung wird sein, dass in der Budgetberatung die Spielräume immer enger werden. Aufgrund der steigenden Kosten wird es zunehmend schwieriger werden, Lösungsmöglichkeiten für einen ausgeglichenen Haushalt anzubieten. Die Hoffnung liegt hier auch ein Stück weit auf der Politik, entsprechende Unterstützungsangebot zu installieren.

Die nächste Problemstellung stellt die Kapazität dar, das heißt mit den vorhandenen Stellen die Nachfrage adäquat bedienen zu können. Die Problemlagen werden immer komplexer, die Nachfrage steigt und wir haben in unserer Beratungsstelle aktuell bereits eine Wartezeit von zwei Monaten bis zum Erstgespräch und das ist nicht nur in unserer Beratungsstelle der Fall. Hinzu kommt, dass wir eine weitere Erhöhung der Nachfrage erst zeitversetzt erwarten. Das ist bereits bezüglich der Nachwirkungen der Pandemie zu beobachten und es ist zu vermuten, dass sich die Folgen der steigenden Energie-, Lebensmittelpreise oder der Zinserhöhungen erst im kommenden Jahr so richtig entfalten werden und sich die Nachfrage dann nochmal erhöhen wird.   

Interview: Moritz Stangl

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