Die weibliche Sucht

07.03.2022


Die weibliche Sucht

"Du kennst doch auch die Eva. Ich hab' sie einfach gefragt, warum sie immer so lahm und verpeilt ist. Sie hat mir erzählt, dass sie Tabletten zum Schlafen genommen hat, manchmal nachts noch zusätzlich. Und dann braucht die morgens ewig, bis sie einigermaßen wach ist. Ihr Arzt hat sie jetzt zur Beratung geschickt. Fachambulanz heißen die. Dort haben sie ihr erklärt, was die Tabletten mit einem machen und wie sie die jetzt wieder los wird. Die reden mit ihr drüber, warum sie so schlecht schlafen kann und wie sie sich abends besser entspannt. Gut, dass es jetzt nicht mehr unter den Teppich gekehrt wird!"

Dieser Text steht auf einer Werbepostkarte der Regensburger Fachambulanz für Suchtprobleme. Er trifft im Kern ein großes Thema: Dass Frauen mit Suchtproblemen anders umgehen als Männer. Die Sucht verläuft üblicherweise stiller. Unbemerkt und voller Scham. Eben unter den Teppich gekehrt.

Aus diesem Grund haben sich Caritas-Suchtberaterinnen im Jahr 1996 entschieden, genauer hinzusehen – und den Arbeitskreis "Frauen und Sucht" gegründet. Nicht nur im Umfeld des Weltfrauentages (8. März) spielt das Thema in der Suchtberatung eine wesentliche Rolle.

"Wir wollen auf die Besonderheiten in der Entstehung und Ausprägung von Suchterkrankungen bei Frauen aufmerksam machen", sagt Irmgard Pernpeintner, Diplom-Pädagogin und Suchtberaterin bei der Caritas-Fachambulanz für Suchtprobleme in Regensburg. Sie hat den Arbeitskreis 1996 mitgegründet. "Suchtkranke Frauen bringen oft andere Themen als Männer mit: beispielsweise Gewalterfahrung, Scham, Abhängigkeit in der Partnerschaft, mangelnde ökonomische Sicherheit und ihre besondere Betroffenheit als Mutter." Medikamentenabhängigkeit und Essstörungen, das Mitbetroffensein als Angehörige und auch die Kombination mit psychischen Erkrankungen seien bei Frauen häufiger anzutreffen. Sie bräuchten deshalb meist andere Formen und Rahmenbedingungen für die Behandlung.

Seit 1996 haben sich vielfältige Angebote entwickelt und auch die Erfahrungen mit genderspezifischer Beratung und Behandlung sind mehr geworden – nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. "Doch es besteht nach wie vor Bedarf, den weiblichen Blickwinkel im Suchtgeschehen zu schärfen und sich für eine frauenspezifische Ausprägung in ambulanten und stationären Suchthilfebereichen stark zu machen", sagt Pernpeintner. Nur etwa ein Viertel der Hilfesuchenden an der Fachambulanz sind Frauen. Ist die Scham geblieben?

Diese Frage stellten Pernpeintner und Kolleginnen mit einer öffentlichen Aktion. Mit bunten Fahrrädern und Postkarten machten die Caritas-Fachambulanz für Suchtprobleme und die Caritas-Wohngruppe für Frauen St. Rita in der Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam. Ziel war es, betroffene Frauen und ihr soziales Umfeld zu ermuntern, offen über ihre Probleme mit Suchtmitteln und Suchtverhalten zu sprechen. Und natürlich: sich professionelle Unterstützung zu holen. Die Botschaft lautete: „Kehr‘ mich nicht unter den Teppich!“

"Kehr mich nicht unter den Teppich": Mit einer schrillen Aktion machten die Caritas-Mitarbeitenden Irmgard Pernpeintner (li.) und Karin Haubenschild-Mergel auf das Tabuthema "Frauen und Sucht" aufmerksam.

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