Sebastian Lengfelder hat sich jahrelang ehrenamtlich in der Caritas-Kinderbetreuung im Ankerzentrum engagiert. Seit diesem Frühjahr leitet er diese – und gibt den geflüchteten Kindern die Chance auf einen Neuanfang.
Wenn Sebastian Lengfelder morgens die Tür zu seinem Arbeitsplatz aufsperrt, weiß er, warum er das tut. Es geht ihm um die UN-Kinderrechte, ratifiziert von Deutschland im Jahr 1992. Darin heißt es:
Jedes Kind hat das Recht auf Bildung
Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor dem Krieg und auf der Flucht.
Jedes Kind hat das Recht auf Freizeit.
Sebastian Lengfelder ist 22 Jahre alt, hat Soziale Arbeit studiert und leitet die Kinderbetreuung der Caritas im Ankerzentrum in Regensburg. „Bei uns finden die Kinder einen geschützten Raum“, sagt er. Einen, den sie auf der Flucht entbehren mussten, ließe sich hinzufügen. Denn die Kinder, die Lengfelder gemeinsam mit seiner Kollegin und Kinderpflegerin Nahed Halawa betreut, haben zumeist lange und gefährliche Weg hinter sich. Sie kommen aus dem Irak, aus Äthiopien oder aus Syrien; manche haben selbst Krieg erlebt, andere sind vor ihm oder seinen Folgen geflüchtet.
AnKER ist eine Abkürzung für „Ankunft, Entscheidung und Rückführung“. In den Ankerzentren, die es unter diesem Namen seit 2018 in Bayern gibt, werden Schutzsuchende untergebracht, bis über ihren Asylantrag entschieden wird. Wer hier ankommt, soll nicht lange bleiben. Es ist eine Zwischenstation, bei der viel auf dem Spiel steht: Es geht um das Zurückmüssen oder das Bleibendürfen. Während die Eltern auf den Entscheid zu ihrem Asylantrag warten, dürfen die Kinder zu Sebastian Lengfelder in die Kinderbetreuung, in den geschützten Raum.
Es ist ein Dienstagmorgen, die ersten Kinder trudeln ein, passieren die Glastür beklebt mit selbstgemalten Blumen und einem Minion. Im Bewegungsraum warten ein Bällebad und Sportmatten, ein Bobbycar und Hullahupreifen auf die Kinder. Zunächst geht es aber in den „Raum für Alles“: Spielen, Malen, Lernen – und ja, Rutschen. Auf einer Holzrutsche kichern die Kinder direkt unter einer Weltkarte hindurch.
Lengfelder leitet seit diesem Frühjahr die Kinderbetreuung im Ankerzentrum, er kennt die Arbeit und die Abläufe aber seit vielen Jahren. Als FOS-Schüler war er Praktikant, dann engagierte er sich während seines Studiums jahrelang ehrenamtlich. „Diese Kinder haben eine Chance verdient“, sagt er. Wieder erinnert er an das Recht auf Bildung, an das Recht auf Schutz und an das Recht auf Freizeit und Ruhe.
Ein Junge schnappt sich ein Magnetbrett mit dem ABC und wirft sich damit in einen Kindersessel. Für ihn sind die deutschen Buchstaben bislang Geheimzeichen; er kennt aus seiner Heimat die arabischen Schriftzeichen, nicht die deutschen. Sebastian Lengfelder kniet neben dem Jungen, schiebt einige Buchstaben in die ABC-Reihenfolge. „Alphabetisierung“, sagt Lengfelder, „ist eines der Lernziele bei Kindern im Vorschulalter.“ Nach und nach entwickeln die Kinder ein Gespür für die Struktur der fremden Sprache und ihrer Zeichen. Der stetige, auch vermeintlich beiläufige Umgang damit unterstützt das.
Die Kinder in der Caritas-Betreuung im Ankerzentrum sind zwischen drei und sieben Jahre alt. Derzeit kommen rund 10 von 17 Kindern, die im Anker wohnen, in die Betreuung. Im Morgenkreis singen sie Begrüßungslieder und stellen sich mit ihren ersten deutschen Wörtern vor, danach spielen sie Karten wie UNO, „das offenbar weltweit bekannt ist“, malen Bilder oder lernen spielerisch und haptisch Buchstaben. Nachmittags geht’s raus zum Spielen.
„Die Kinder finden Halt in einem strukturierten Alltag, sie lernen Verhaltensregeln und soziale Kompetenzen für den Umgang mit anderen“, sagt Lengfelder. Und sie gehen die ersten Schritte ins deutsche Bildungssystem. „Wer bei uns war, kommt später deutlich besser in der Schule zurecht“, sagt Lengfelder. Die Kinderbetreuung der Caritas bereitet den Weg für einen Neuanfang. Sie ist keine Pflicht – aber eine Chance.
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