Heute ist Welt-Internet-Tag. Die Digitalisierung bringt viel Gutes mit sich, die Vielfalt der Möglichkeiten kann aber auch überfordern. Wo verläuft die Grenze zwischen Medienkonsum und Mediensucht? Und welche Kompetenzen brauchen wir in einer digitalen Gesellschaft? Ein Gespräch mit Celine Schulz-Fähnrich, Caritas-Suchttherapeutin mit dem Schwerpunkt Mediensucht
Sie haben den Beratungsschwerpunkt „exzessiver Mediengebrauch“. Ab wann ist Medienkonsum exzessiv, wird also zur Sucht?
Es gibt dafür keine klaren Kriterien. Man schaut eher, ob alle sonstigen Bereiche des Lebens in Takt sind. Gerade zwischen Eltern und Jugendlichen gibt es ganz unterschiedliche Auffassungen dazu, wie viel Konsum noch gesund ist. Die Eltern würden dann gerne von mir hören, dass es beispielsweise ab fünf Stunden täglich ein Problem ist - aber diese Richtlinie gibt es nicht. Das Thema Medien muss man immer im Gesamtkontext sehen.
Wer kommt zu Ihnen in die Beratung?
Die Personen, die zu uns kommen, sind wirklich schwer betroffen. Sie verspüren einen hohen Leidensdruck. Das ist für mich der ausschlaggebende Parameter. Ich sehe genau hin und frage, welche anderen Lebensbereiche von dem Mediennutzungsverhalten eingeschränkt werden. Die meisten Personen, die zu diesem Thema zu uns kommen, sind männlich, in erster Linie Gamer, die internetgebundene Videospiele spielen. Da gibt es Effekte, die in eine Krankheit münden können, wie beispielsweise ein verschobener Tag-Nacht-Rhythmus. Bei den meisten Onlinespielen zockt man abends bis in die frühen Morgenstunden. Es kann auch sein, dass die Ernährung vernachlässigt wird oder Bewegungsmangel hinzukommt. Da geht es teils um bis zu 14 Stunden Gaming an einem Wochenende.
Ich habe es überwiegend mit Personen zu tun, die sozial sehr zurückhaltend sind und sehr viele Unsicherheiten entwickelt haben. Mit Menschen, die seit dem Teenageralter nur gezockt und im jungen Erwachsenenalter nie gelernt haben, wie man sich alterstypisch verhält. Sie sind deshalb gesellschaftlich gesehen eher ausgeschlossen. Für diese Menschen ist es eben nur der erste Schritt, wenn sie mit dem Spielen aufhören. Sie bräuchten jemanden, der sie in die Erwachsenenwelt mitnimmt. Das ist ein Problem, da dies im Umkehrschluss die Attraktivität fürs Spiel so groß macht. Dort haben sie ihre Kontakte und wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Das wissen sie in der echten Welt oft nicht.
Ist vom Gaming als Hobby also grundsätzlich abzuraten?
Nein. Mir ist wichtig, dass Medien nicht prinzipiell als Problem zu sehen sind. Meiner Meinung nach sind Computerspiele eine tolle Freizeitbeschäftigung. Man muss aber dann schon die Frage stellen, ob es andere Hobbys gibt, die 14 Stunden lang dauern. Aber in einem geregelten Maß sind Videospiele eine gleichwertige Freizeitbeschäftigung zum Abschalten.
Die Personen, die zu uns kommen, haben meist bereits als Jugendliche mit dem Gaming angefangen. Da haben natürlich auch die Eltern die Verantwortung. Es ist problematisch, wenn die Eltern denken, dass es ja eigentlich ganz schön ist, dass das Kind zu Hause ist und abends beispielsweise nicht aus der Disco geholt werden muss. Wenn sich die Kinder in das eigene Zimmer zurückziehen, hat das für viele Eltern anfangs eine gewisse Attraktivität. Da gilt es aber, aufmerksam zu bleiben.
"Eigentlich sind Computerspiele eine tolle Freizeitbeschäftigung. Man muss aber schon die Frage stellen, ob es andere Hobbys gibt, die 14 Stunden pro Tag dauern."
Wir leben in einer digitalen Welt. Sind wir nicht alle irgendwie süchtig nach Medien?
Nein. Es besteht ein Unterschied zwischen einem gesteigerten Mediennutzungsverhalten und einer Mediensucht. Nicht jeder, der Medien nutzt, entwickelt auch Probleme damit. Maßnahmen wie eine digitale Auszeit oder eine zeitweise Abmeldung von allen Social-Media-Plattformen sind durchaus mal sinnvoll, um das eigene Konsumverhalten zu beobachten und zu fragen: Kann ich auch noch ohne? Die meisten Leute benutzen Medien, ohne dabei Probleme zu entwickeln und schaffen es, den Medienkonsum gesund in ihren Alltag zu integrieren. Medien haben unser Leben in vielerlei Hinsicht erleichtert.
Welche Kompetenzen sind also in einer digitalen Gesellschaft gefragt, um Mediensucht zu vermeiden?
Zunächst sind die Eltern gefragt. Sie müssen sich medienpädagogisch fit machen. Schließlich würden es Eltern auch nicht erlauben, wenn sich Jugendliche mit einem Kasten Bier das ganze Wochenende in ihr Zimmer zurückziehen. Dasselbe gilt fürs Gaming. Auch da braucht es Regeln und Austausch. Zudem sind die Schulen gefragt. Man benötigt passende Präventionsangebote. Je näher man an der Zielgruppe dran ist, desto besser.
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