"Gospel heißt, das Leben zu genießen!"

15.07.2022


"Gospel heißt, das Leben zu genießen!"

Noch acht Tage bis zum Jubiläumsfest „100 Jahre Caritas“: Am 23. und 24. Juli veranstaltet der Caritasverband für die Diözese Regensburg ein Fest auf dem Alten Kornmarkt – mit Live-Musik, Speis und Trank. Am Sonntag, 24. Juli, um 17 Uhr erwartet die Besucher ein Höhepunkt: der Angelhearts Gospelchoir steht auf der Bühne, der einzige Gospelchor in der Oberpfalz.  

Bringen den Gospelsound in die Oberpfalz: der Angelhearts Gospelchoir. (Foto: Angelhearts Gospelchoir)

Für den Angelhearts Gospelchoir ist es zwar der bislang größte Auftritt für die Caritas – aber keineswegs der erste. Denn als sich der Chor im Jahr 2018 gründete und einen Proberaum suchte, fand er diesen an einem ganz besonderen Ort: dem Regensburger Caritas Alten- und Pflegeheim Marienheim, ein Heim speziell für Menschen mit Demenz. Als Dankeschön gaben die Angelhearts ein Konzert – und bewegten die Herzen der Menschen mit Demenz.

Der Chor ist mittlerweile gewachsen, ein größerer Proberaum im Kolpinghaus gefunden. Dennoch unvergessen bleibt das Konzert im Marienheim im Sommer 2019. In Vorfreude auf den Auftritt beim Jubiläumsfest blicken wir zurück: 

Demenz: Wie Gospel die Herzen erreicht

Die Chorleiterin Roberta Collins beim Konzert für Menschen mit Demenz im Sommer 2019. (Foto: Schophoff)

Die Luft vibriert im Regensburger Marienheim. In der barocken Kapelle des Alten- und Pflegeheims der Caritas singt der Angelhearts Gospelchoir. Zwanzig Sängerinnen und Sänger und eine Keyboarderin stehen rund um den Altar und schmettern aus voller Kehle den Gospelklassiker „Amen“. Die Heimbewohner, alle an Demenz erkrankt, hält es nicht auf den Holzbänken. Manche, die eben noch apathisch dasaßen, stehen auf und klatschen, singen und tanzen. Eine Bewohnerin geht spontan nach vorne, zur gebürtigen US-Amerikanerin, die den Chor mit einem Schellenring und einer Stimme voller Soul dirigiert: Roberta Collins, die Chorleiterin. Mit einem breiten Lachen empfängt Collins die Heimbewohner auf ihrer Bühne. „Gospel heißt, das Leben zu genießen“, hat sie vor dem Auftritt gesagt. „Egal, ob du jung oder alt bist! Jeder kann die Musik fühlen!“

Musik holt Demente aus ihrer Isolation

Kaum etwas hat eine so positive Wirkung auf Demenzerkrankte wie Musik. Studien zeigen, dass sich durch Musik der Gemütszustand der Patienten aufhellt, der Stresspegel sinkt, sich Kurz- und Arbeitsgedächtnis verbessern. Sogar Orientierungsfähigkeit und Verstandesfunktion nehmen zu. Menschen, die nicht mehr sprechen, singen plötzlich die Lieder ihrer Jugend mit. Musik befreit die Erkrankten für einen Moment aus ihrer Isolation, schafft einen Bezug zur eigenen Identität, wodurch sie, für die Länge eines Liedes – oder eines ganzen Gospelkonzerts – wieder in Kontakt mit ihrer Umwelt treten.

Silvia Haseneder, die Heimleiterin (mittlerweile Caritas-Referentin für die Pflege-Ausbildung; Anm. d. Red.), sitzt bei dem Auftritt in der ersten Reihe. Sie hat keine Sekunde gezögert, als 2018 die Anfrage der Angelhearts kam. Der gerade gegründete Verein stieß bei der Suche nach einem Proberaum auf die Kapelle ihres Heims. Sie sagte sofort zu. Miete wollte sie nicht – stattdessen wünschte sie sich, dass der Chor auch für ihre Bewohner singe. Viele sind weglaufgefährdet und haben einen großen Bewegungsdrang; die energetische Gospelmusik, dachte sie, würde sie animieren, sich mitzubewegen. Wie wenig Berührungsängste ihre Bewohner nun haben, überrascht sie selbst. Irgendwann steht Haseneder selbst auf und tanzt mit. „Das ist einfach fantastisch!“, sagt sie. „Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie toll es den Bewohnern, Mitarbeitern und den Angehörigen gefällt. Es ist ein Traum!“

Gospel holt Menschen mit Demenz aus ihrer Isolation. (Foto: Schophoff)

Auch Chor-Gründerin Doris Giesa sprudelt an diesem Tag über vor Glück. Zehn Jahre lang hatte sie in Nürnberg unter Roberta Collins gesungen, nach ihrem Umzug in ihre Heimat Regensburg aber keinen neuen Chor gefunden: Mal war sie den anderen zu laut, mal bewegte sie sich zu viel, nie passte es. Sie postete ihr Leid in einem Social-Media-Kanal – prompt antwortete ihre Freundin Katharina Kapera-Krüger: Lass uns doch einen Gospelchor in Regensburg gründen! Chorleiterin Collins war schnell mit im Boot und als sie bald darauf die Kapelle im Marienheim besichtigte, waren allesamt angetan von der Idee, in einem Altenheim zu singen. „Ich hatte schon immer eine besondere Beziehung zu älteren Menschen“, sagt Giesa. „Für mich war es von der ersten Sekunde an eine Ehre, hier singen zu dürfen.“ Nun, am großen Tag des Premieren-Konzerts, kriegt Doris Giesa das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht. „Unser Traum ist in Erfüllung gegangen! Und dieser Traum tut auch noch so vielen Leuten gut!“

Das Musikgedächtnis ist auch bei Demenz noch lange intakt

Die Gründe dafür, dass sich die Leidenschaft des Gospelchors auf die die sonst oft abwesend wirkenden Demenzkranken überträgt, liegen auch in der Struktur des menschlichen Gehirns: Während der Hippocampus, die Schaltstelle des Gehirns, bei Demenz stark abbaut, bleibt die Großhirnrinde, in der sich das Musikgedächtnis befindet, noch lange intakt. Durchs Musizieren und Musikhören werden verschiedene Hirnregionen miteinander vernetzt und die Neuroplastizität angeregt: Auch in stark geschädigten Gehirnen entstehen dadurch immer neue Verschaltungen – bis zum Lebensende.

Dass die wunderbare Symbiose aus Pflegeheim und Gospelchor, aus Marienheim und Angelhearts, überhaupt zustande kam, geht zurück auf die Initiative von Katharina Kapera-Krüger, die den Chor mit Doris Giesa gründete. Kapera-Krüger arbeitet als Ergotherapeutin bei der Caritas in Kelheim; als sie bei der Suche nach einem Proberaum überall auf verschlossene Türen stieß, fragte sie bei der Öffentlichkeitsarbeit der Caritas nach. Der damalige Pressesprecher empfahl das Marienheim. Nun, noch ganz im Zauber des Konzerts, stimmt sie ein in den Lobgesang auf das Publikum: „Die Bewohner haben sich sofort begeistern lassen! Sie sind herumgelaufen, haben getanzt und mitgesungen – das ist das größte Geschenk, das man für so einen Auftritt bekommen kann! Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper und musste aufpassen, dass ich nicht weine.“

Hand aufs Herz beim Auftritt

Auch Sabine Bruckmeier, die erste Vorsitzende des Chors, hat die Freude und Hingabe der Heimbewohner berührt. „Das war absolut inspirierend und bereichernd! Zum Schluss hat eine Bewohnerin ihre Hand aufs Herz gelegt und laut mitgesungen.“ Eine Hand aufs Herz beim ersten Auftritt der Angelhearts, der Engelsherzen – schöner hätte man es sich nicht ausdenken können.

Als die letzte Strophe gesungen, der letzte Ton verklungen und der Applaus abgeebbt ist, hat Diakon Ulrich Wabra das Schlusswort. DerHeimfürsprecher des Marienheims arbeitet bei seinen Gottesdiensten selbst viel mit Musik, lässt die Bewohner, die sich keine Texte mehr merken können, Kirchenlieder pfeifen und summen, damit sie die Melodien bis in ihre Zimmer tragen. Aber dieses Konzert war auch für ihn etwas ganz Außergewöhnliches. „Das war eine absolute Happy Hour!“, sagt er, und noch einmal brandet Beifall auf. Nur eine Sorge habe er nach dieser energischen Vorstellung: „Ich bin gespannt, wie ihr sie alle heute ins Bett bringt – das wird bestimmt nicht leicht!“

Für Roberta Collins steht der nächste Auftritt für die Caritas an: am 24. Juli, 17. Uhr, Alter Kornmarkt (Foto: Angelhearts Gospelchoir)

Besuchen Sie uns auf unseren
Social Media Kanälen:

Caritasverband für
die Diözese Regensburg e.V.
Von-der-Tann-Straße 7
93047 Regensburg

T +49 941 502 10
F +49 941 502 11 25
info@caritas-regensburg.de
www.caritas-regensburg.de