Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland engagiert sich ehrenamtlich für Geflüchtete aus der Ukraine, besagt eine Umfrage der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Die Mehrheit engagiert sich mit Geld- und Sachspenden, andere helfen bei Behördengängen oder bieten Wohnraum an. Manche stoßen jedoch an ihre Belastungsgrenzen. Über Selbstschutz und Selbstfürsorge von Engagierten spricht Carla Schäfer, Referentin für Engagement und Gemeinwohl bei der Caritas Regensburg.
Teil eins unserer neuen Serie "Helfenden helfen"
Ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit ist anspruchsvoll. Wie kann ich mich psychisch und emotional gut darauf vorbereiten?
Carla Schäfer: Es ist sinnvoll sich einen kurzen informativen Überblick über aktuelle Herkunftsländer, Zahlen oder die Schwierigkeiten innerhalb eines Asylverfahrens zu verschaffen. So kann man gleich zu Beginn abschätzen, was an Themen oder Herausforderungen auf einen zukommen kann.
Hilfreich ist es auch, vorher bereits festzulegen, wo persönliche Grenzen liegen und diese dann auch einzuhalten. Zum Beispiel: Sie möchten gerne mit Frauen zusammenarbeiten oder möchten Ihre private Handynummer nicht weitergeben? Dann kommunizieren Sie dies ganz klar.
Hilfreiche Informationen finden sich beispielsweise hier:
- CaritasCampus „Basiswissen für die Flüchtlingsarbeit“
- Aktion Neue Nachbarn vom Erzbistum Köln „Flüchtlingsstationen“
- Caritas Österreich „Auf der Flucht“
"Wie in unserem privaten oder beruflichen Alltag müssen wir auch bei unserem Ehrenamt lernen 'Nein' zu sagen."
Vom Wohnraum anbieten bis zu Behördengänge begleiten: Wie finde ich die ehrenamtliche Tätigkeit, die zu mir passt?
Bei der passenden Tätigkeit sollte man etwas wählen, das auch jeweils privat Spaß macht. Vielleicht üben Sie beispielsweise schon länger ein Hobby aus und können ihre Erfahrungen und Expertise hier an andere weitergeben.
Ganz wichtig ist es auch, seine zeitlichen Ressourcen ehrlich für sich selbst einzuschätzen und dementsprechend eine passende Tätigkeit zu suchen. Sie können nur alle zwei Wochen? Kein Problem, dann wäre vielleicht eine regionale Kleiderkammer etwas für Sie. Sie haben gleich zwei Nachmittage die Woche Zeit? Dann könnten Sie geflüchtete Familien mit einer Hausaufgabenbetreuung unterstützen.
Wer gerne intensiv mit einer Person oder Familie Zeit verbringen mag, kann sich ein Tandem-Projekt suchen. Dabei können neue Sprachen gelernt und Freundschaften geschlossen werden.
Sie haben keine speziellen Vorlieben und gerade auch viel Freizeit? Dann fragen Sie bei Ihren örtlichen Vereinen oder der Stadt nach, wo gerade am meisten Unterstützung gebraucht wird. Oft wird man direkt an eine bestimmte Stelle oder Tätigkeit verwiesen.
"Ehrenamt ist zwar ein wertvoller Dienst an der Gesellschaft, sollte aber genauso wie ein Hobby oder unsere Arbeit auch Spaß machen."
Was sind typische Gründe für eine Überforderung bei ehrenamtlichem Engagement?
Es kann schwerfallen, sich emotional von den Schicksalen der geflüchteten Menschen zu distanzieren. Oft entwickeln Ehrenamtliche dazu ein überdurchschnittliches Verantwortungsgefühl und würden am liebsten alle aufkommenden Herausforderungen lösen.
Wie auch in unserem privaten oder beruflichen Alltag müssen wir auch bei unserem Ehrenamt lernen „Nein“ zu sagen. Geschieht dies nicht, und es werden Grenzen überschritten oder zusätzliche Aufgaben übernommen, kann es schnell zu einer Überforderung kommen.
Woran erkenne ich, dass ich erschöpft oder überfordert bin?
Ehrenamt ist zwar ein wertvoller Dienst an der Gesellschaft, sollte aber genauso wie ein Hobby oder unsere Arbeit auch Spaß machen. Wenn Sie keine Lust mehr auf Ihr Ehrenamt haben und dies nur aus Pflichtgefühl tun, sollten Sie ihr Engagement unterbrechen. Oft hilft eine Pause, um Energie zu tanken und wieder mit neuem Tatendrang zu starten.
Auch ihr ehrenamtliches Engagement kann typische Stresssymptome hervorrufen. Körperliche Stresssymptome können zum Beispiel Brustschmerz, Herzrasen, Schlafstörungen, Schwindel oder Kopfschmerzen sein. Mentale Symptome können beispielsweise Angst, Traurigkeit oder Konzentrationsstörungen sein. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und reflektieren Sie, ob Sie ein, mehrere oder ähnliche Symptome in Ihrem Alltag begleiten.
Wie kann ich mich gegen Überforderung schützen? Wie stärke ich meine seelische Gesundheit? Bitte geben Sie hier drei bis fünf Tipps!
- Erkennen Sie ihr Ehrenamt als das an, was es ist: Eine Bereicherung für Ihr Leben, aber auch eine zusätzliche Aufgabe in ihrem Alltag, die Sie belasten kann.
- Falls Sie feststellen, dass Sie sich eines der oben genannten Stresssymptome aufweisen, nehmen Sie sich dringend eine Pause. Versuchen Sie auch herauszufinden, welche Aufgabenbereiche Sie so fühlen lassen. Vielleicht können Sie von ihren Aufgaben etwas an jemand anderen abgeben.
- Vernetzen Sie sich und treten Sie in Austausch. Vielleicht gibt es in Ihrer Nähe einen Stammtisch oder eine Abendveranstaltung zur Arbeit mit Geflüchteten? Oft hilft die Begegnung mit anderen Helferinnen und Helfern und bringt zeitgleich gegenseitige Wertschätzung, Empathie und einen Perspektivwechsel mit sich.
- Nutzen Sie kostenlose Fortbildungs- und Unterstützungsangebote und nehmen Sie diese ohne schlechtes Gewissen in Anspruch. Auch bei der Caritas Regensburg gibt es verschiedene Angebote. (siehe Infokasten Anm. d. Red.)
Zusatzinfo: Kostenlose Angebote der Caritas für Ehrenamtliche
Im Spätsommer starten zwei neue Onlineformate der Caritas: „Offene Sprechstunde“ und „Themenabende“. Bei der Offenen Sprechstunde können einmal im Monat Pfarreien, kirchliche Gruppen oder Ehrenamtliche die Möglichkeit wahrnehmen, online mit einer Mitarbeiterin der Gemeindecaritas Herausforderungen zu besprechen, Probleme zu lösen und in den Austausch mit anderen Helferinnen und Helfern zu treten.
Die Themenabende sind Infoveranstaltungen zu Inhalten rund um die Flüchtlingsarbeit. Das Format startet im September mit „Emotionaler Erster Hilfe“, im Oktober folgt als Thema „Bildungsangebote/Sprachkurse“. Melden Sie sich bei c.schaefer@caritas-regensburg.de , falls Sie darüber mehr erfahren möchten.
Hier gibt es den Flyer und die Broschüre zu den Angeboten zum Download:
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