Unmaskiert – Die Caritas zeigt Gesicht: In dieser Serie legen Mitarbeitende ihre Masken ab und erzählen von ihrer Arbeit bei der Caritas. Heute spricht Gabriele Dotzer, Leiterin der Schwangerschaftsberatung in Regensburg:
"Es ist unsagbar, was Frauen auf dieser Welt erleiden."
„Es ist unsagbar, was Frauen auf dieser Welt erleiden. Ich erlebte das erstmals in den 1990er-Jahren, als ich als Beraterin für Schwangerschaftsfragen in München arbeitete. Das war die Zeit der Jugoslawienkriege. Viele Frauen, die zu uns kamen, waren traumatisiert. Sie waren verschleppt, vergewaltigt oder zwangsprostituiert worden. Sie hatten Dinge durchgemacht, die ich mir in meinen schlimmsten Albträumen nicht vorstellen konnte.
Heute erlebe ich das wieder. Auch in die Schwangerschaftsberatung der Caritas in Regensburg kommen Frauen mit Kriegs- und Fluchterfahrung. Wir haben Klientinnen aus Äthiopien, aus dem Irak, aus Syrien. Die Caritas ist international bekannt und die Frauen wissen: Da wird mir geholfen. Durch meine Tätigkeit habe ich gelernt, für das Leben dankbar zu sein, das wir hierzulande führen dürfen.
Ich bin in München geboren und aufgewachsen. 1978 machte ich mein Abitur an einem Münchner Mädchengymnasium. In den 1980er-Jahren studierte ich Sozialpädagogik in Regensburg und schrieb meine Diplomarbeit zur Frage, ob eine Arbeitslosigkeit junger Frauen eine frühe Familiengründung mitbedingt. Ich selbst habe mein gesamtes Berufsleben Vollzeit gearbeitet. Ich bin finanziell unabhängig und bestimme selbst über mein Leben. Das wünsche ich mir auch für die Frauen, die wir beraten.
Ich führte zu Beginn meines Berufslebens viele Konfliktberatungen. Frauen, die ungewollt schwanger waren, suchten meinen Rat. Vielen schien es unmöglich, sich für das werdende Leben zu entscheiden. Es obliegt niemandem, dies zu bewerten oder zu verurteilen. Es bleibt die Entscheidung der Frauen. Sie müssen jede Hilfe bekommen.
Wer ungewollt schwanger ist, muss in kürzester Zeit eine Entscheidung treffen, die sich ein Leben lang auswirkt. Wir begleiten Frauen in diesem Prozess. Wir bieten einen Raum, um Ambivalenzen zu spüren, Ängste und Hoffnungen auszusprechen. Wenn Frauen zu einem Kind Nein sagen, heißt das ja auch, dass ihr Leben noch nicht so aufgestellt ist, dass sie sich darin ein Kind vorstellen können. Wir müssen fragen: Warum ist das so? Der Schutz des Lebens geht über die ersten zwölf Schwangerschaftswochen hinaus. Wir müssen Frauen und junge Familien so unterstützen, dass sie in eine Situation geraten, die ihnen das Ja zum Leben erlaubt.
Wir können Frauen, die zu uns in die Beratung kommen, ihr teils schweres Schicksal nicht abnehmen. Aber wir können ihnen helfen, mit positiven Impulsen in die Zukunft zu gehen. Und wir unterstützen sie dabei, sich ein gutes und sicheres Leben mit ihrem Kind aufzubauen. Ich stärke Frauen, indem ich ihnen alles zutraue. Wirklich alles. Das sind keine leeren Worte, sondern das ist eine Einsicht, die ich in meinem Berufsleben gewonnen habe.
Ich leitete von 1995 bis 2011 eine heilpädagogische Wohngruppe für Mädchen und junge Frauen des Sozialdienstes katholischer Frauen in Augsburg. Die Mädchen waren psychisch stark belastet, hatten teils Suizidgedanken. Das waren wirklich schwierige Mädchen, die uns da anvertraut waren. Doch ich sah in jedem Mädchen das Kind in Not. Ich setzte mich fast zwanzig Jahre für sie ein. Jedes dieser Mädchen war meinen Einsatz wert. Manche von ihnen schafften es, sich ein eigenes, selbstbestimmtes Leben aufzubauen.
Im Jahr 2012 kam ich schließlich als Leiterin der Schwangerschaftsberatung zum Caritasverband nach Regensburg. Wir haben hier in den vergangenen zehn Jahren viel bewegt. Wir initiierten beispielsweise das Projekt Mama und Papa mit Behinderung und vermitteln demnächst über unsere Fachstelle auch Elternassistenzen für Eltern mit Handicap. Mit dem Projekt care for woman stärken wir Frauen, die von Genitalverstümmelung betroffen sind. Das Thema ist mit dem Zuzug von Migrantinnen auch in Deutschland relevant geworden.
Die Eröffnung des neuen Caritas-Beratungszentrums St. Gabriel am 6. Mai 2022 markiert einen Meilenstein in unserer Beratungsarbeit. Eine neue Ära beginnt. Ganz im Sinne einer modernen One-Stop-Agency vereinen drei Referate ihre Fachkompetenzen unter einem Dach: die Allgemeine Sozialberatung, die Schwangerschaftsberatung und die Migrationsberatung. Das verkürzt Wege, erleichtert die Zusammenarbeit und nutzt damit in hohem Maße den Menschen, die zu uns kommen.“
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