"Pflege ist ja nicht nur eine sinnvolle Arbeit. Sondern wir sind Profis in unserem Fach."
Unmaskiert – Die Caritas zeigt Gesicht: In dieser Serie legen Mitarbeitende die Masken ab und erzählen von ihrer Arbeit bei der Caritas. Heute spricht Mechthild Hattemer, Geschäftsführerin der Caritas Wohnen und Pflege gGmbH:
„An meinem ersten Ausbildungstag in der Altenpflege, wollte ich sofort wieder aufhören. Das war 1982, vor vierzig Jahren. Ich hatte eine Stelle in einem katholischen Altenheim in Mainz, 25 Kilometer von meinem Heimatort entfernt. Die Ordensschwester führte mich damals durch das Heim und zeigte mir zum Schluss die Veranstaltungsräume im Keller. Da öffnete sie eine Nebentür zur Aussegnungshalle. Dort lag eine Frau, die vom Bestatter noch nicht abgeholt war. Sie war die erste tote Frau, die ich in meinem Leben sah. Es war ein Schock.
In den ersten vier Wochen meiner Ausbildung ging es turbulent weiter. Ich musste um kurz nach vier aufstehen, um pünktlich zum Schichtbeginn um 6 Uhr da zu sein. Schon morgens um 8 Uhr war ich völlig fertig. Damals waren die Betten der Bewohner noch eiserne Gestelle, es gab keinerlei Hilfsmittel beim Heben und Umlagern. Die Arbeit war körperlich anstrengend und ich dachte: Das schaffe ich nie! Doch ich täuschte mich.
Bald machte der Beruf unheimlich viel Spaß. Es ist ja nicht nur eine sinnvolle Arbeit. Sondern wir sind Profis in unserem Fach. Ich habe als Schülerpraktikantin angefangen und mich seither immer weiterentwickelt. Es war schön, nicht irgendjemand zu sein – sondern eine Fachkraft. Es gefiel mir, Verantwortung zu übernehmen. Ich arbeitete nach der Ausbildung als Wohnbereichsleiterin, dann als Pflegedienstleiterin und studierte später berufsbegleitend Pflegemanagement. In meinem Beruf kann ich bewegen, gestalten, verändern – das war und ist superschön!
"In der öffentlichen Debatte fehlt die Stimme aus der Pflege. Das muss sich ändern."
1998 kam ich als Diplom-Pflegewirtin zur Caritas Regensburg und arbeitete zunächst als Referentin für die stationäre Altenhilfe, später leitete ich das Referat, seit 2020 bin ich Geschäftsführerin der damals neu gegründeten Caritas Wohnen und Pflege gGmbH. 25 Alten- und Pflegeheime in der Diözese Regensburg gehören zu dieser gemeinnützigen GmbH. Wir starteten mit vielen Ideen und neuen Personal-, Organisations- und Wohnkonzepten. Dann kam Corona.
Während andere Branchen darüber diskutierten, welche Büroflächen wie desinfiziert werden müssten, ging es in unseren Heimen um Leben und Tod. Die Pflegekräfte arbeiteten im Ausnahmezustand. Wir kamen an keine Schutzkleidung mehr und mussten ungewöhnliche Wege gehen: Wir haben Rinderbesamungskittel bestellt, die in der Veterinärsmedizin verwendet werden. Manche Mitarbeitende haben aus Bettlaken Kittel genäht. Schutzmasken, die es einst für 25 Cent gab, kosteten plötzlich 4,50 Euro. Teils kamen wir gar nicht mehr an Schutzmasken. Das Theater Regensburg nähte welche, auch eine T-Shirt- und eine Jeansfirma lieferten selbstgenähte Masken.
Dennoch hat mich die Pandemie bis heute nie in Panik versetzt. In der Pflege habe ich gelernt, einen kühlen Kopf zu bewahren. Wenn ich den Kittel anziehe, bin ich im Dienst. Wenn ich den Kittel ausziehe, ist der Dienst vorbei. Das ist die Distanz, die man braucht. Man kann nicht mit jedem mitsterben oder mitleiden. Sonst geht man kaputt. Nach außen wirkt das vielleicht abgebrüht, ist es aber nicht.
Wir haben während der Coronakrise schlimme Bilder aus den Intensivstationen gesehen. Über die Pflege wurde zumeist in Verbindung mit dem Tod berichtet. Mir gefiel nicht, dass alles so dramatisch dargestellt wurde. Natürlich hat es dieses Leid auf den Intensivstationen gegeben. Auch bei uns in den Alten- und Pflegeheimen sind viele Menschen gestorben. Aber immer diese schrecklichen Bilder! Das ist doch einseitig. Und angstbesetzt. Was Pflege tut, um die Situation zu bewältigen, um Menschen am Leben zu halten, wurde weniger berichtet. Es kamen selten Pflegende selbst zu Wort, zumeist haben andere über sie gesprochen. Die Stimme aus der Pflege fehlte. Das muss sich ändern.“
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