Mit Pflegeroboter "Garmi" in die Zukunft

09.05.2022


Mit Pflegeroboter "Garmi" in die Zukunft

Prof. Sami Haddadin (links) und TUM Präsident Thomas F. Hofmann mit Assistenzroboter "Garmi" Foto: Astrid Eckert/TUM 

Am Mittwoch, 11. Mai, ist Altenhilfekongress. Zu Gast wird auch der Robotik-Experte Professor Sami Haddadin sein. Er hat Maschinen das Fühlen beigebracht und will nicht weniger als die Pflege revolutionieren. Ein Interview

Zur Person: Der Ingenieur und Robotertechnik-Forscher Professor Dr. Sami Haddadin leitet den Lehrstuhl für Robotik und Systemintelligenz an der Technischen Universität München – und „ist übrigens ein Star“, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt. Im Mai 2021 nahm das Patent- und Markenamt eine seiner Erfindungen in die Liste der Meilensteine deutscher Erfindungen auf: den taktilen Roboterarm.

"Die Pflegeroboter haben buchstäblich 'Fingerspitzengefühl'."
Professor Sami Haddadin, Ingenieur und Robotertechnik-Forscher
Pflegeroboter GARMI: Soll in Zukunft dort helfen, wo Fachkräftfe fehlen. Foto: Kurt Bauer/TUM

Herr Professor Dr. Haddadin, wie viele Roboterassistenzsysteme haben Sie in Ihrem Zuhause? Und was tun diese für Sie?

Professor Dr. Sami Haddadin: Vermutlich weniger als man denken würde: einen kaputten Staubsauger- und einen Rasenmäherroboter. 

Man sagt, Sie haben Maschinen das Fühlen beigebracht. Stimmt das?

Haddadin: Tatsächlich halte ich beispielsweise ein Patent für den Taktilen Roboter. Durch einen neuen Ansatz zur motorischen Kontrolle konnten wir über Jahre eine zuvor nicht mögliche Sensitivität, Nachgiebigkeit und Sicherheit in der Kraftausübung bei Robotern realisieren. Sie haben also buchstäblich “Fingerspitzengefühl.”

Meine Frage war, wie bringe ich den Robotern bei zu lernen, zu fühlen, also den Tastsinn zu nutzen und dadurch motorische Fähigkeiten zu entwickeln. Das sind gewissermaßen die Grundvoraussetzungen für intelligente Roboter, die autonom und sicher mit ihrer Umwelt interagieren sollen. Die Prinzipien dafür habe ich mir beim Menschen – genau gesagt, bei meinen Kindern – abgeschaut. 

Sie arbeiten als einer der Hauptverantwortlichen im Forschungszentrum für Geriatronik der Technischen Universität München. Was ist ‚Geriatronik‘?

Haddadin: Die Geriatronik ist der Einsatz von Robotik und künstlicher Intelligenz zur Bewältigung des demografischen Wandels mit dem primären Ziel des Erhalts eines selbstbestimmten Lebens im Alter. Mit Hilfe von maschineller Intelligenz, 3D- und Kommunikationstechnologie möchten wir gleichzeitig die medizinische Versorgung älterer Menschen verbessern. Darüber hinaus ist ein weiteres zentrales Ziel der Geriatronik die Unterstützung und Entlastung von Pflegekräften, besonders bei nichtpflegerischen Aufgaben. Geriatronische Technologien sind also vielfältig einsetzbar, sie unterstützen bei der Alltagsbewältigung allein in der eigenen Wohnung, bei Bettlägerigkeit, bei Arztbesuchen, in Zeiten der Rehabilitation und bei der Alltagshygiene.

Sie haben den Roboter GARMI erfunden. Wer ist GARMI? Und was kann er?

Haddadin: GARMI ist ein humanoider Roboterassistent für ältere Menschen. Er unterstützt die Senioren und Seniorinnen bei Aktivitäten des täglichen Lebens, beispielsweise bei der Hausarbeit oder der Körperhygiene. GARMI kann aber auch bei Rehabilitationsübungen physisch unterstützen und sogar Ärztinnen bei den ersten Schritten eines telemedizinischen Arztbesuches helfen. Er ist mit Messgeräten wie EKG, Blutdruckmessgerät und Ultraschall ausgestattet und kann so, mit Hilfe von intelligenten Sensoren, Zugriff auf relevante Gesundheitsparameter geben, um im Notfall schnell handeln zu können.

GARMI wurde auch entwickelt, um die Kommunikation mit Familie und Freunden zu verbessern. Sie können über den Roboter auch aus der Entfernung direkt “vor Ort” sein, einen Blick in die Wohnung werfen oder eine Partie Schach mit den Senioren spielen.

"Mit Hilfe von maschineller Intelligenz möchten wir die medizinische Versorgung älterer Menschen verbessern."
Professor Sami Haddadin, Ingenieur und Robotertechnik-Forscher
"Assistenzsysteme und digitale Lösungen nehmen Pflegefachkräften idealerweise körperlich anstrengende und monotone Tätigkeiten, wie beispielsweise die Dokumentation ab und schaffen so mehr Zeit für die Patienten und Patientinnen."
Professor Sami Haddadin, Ingenieur und Robotertechnik-Forscher

Arbeitet GARMI bereits in der Altenpflege?

Haddadin: GARMI befindet sich noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase. Künftig soll er aber auch in Krankenhäusern, Pflege- und Seniorenheimen unterstützen. Vor allem soll er das Pflegepersonal entlasten, Routineaufgaben und körperlich anstrengende Tätigkeiten übernehmen. Senioren und Seniorinnen haben oft ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Pflegepersonal, wenn sie beispielsweise spätabends noch etwas trinken oder essen möchten und verzichten deshalb. Mit GARMI können wir solche Situationen vermeiden, er entlastet und schafft mehr Zeit für die so wichtige zwischenmenschliche Interaktion.

Wie kommt GARMI bei den Menschen an, die er pflegen soll?

Haddadin: Unser Anliegen war es von Anfang an mit potenziellen Nutzern und Nutzerinnen von GARMI zusammenzuarbeiten, sprich mit Medizin- und Pflegepersonal aber auch Senioren waren stets Teil unseres Entwicklungsprozesses. Das sieht man beispielsweise daran, dass GARMI besonders einfach zu bedienen ist. Es werden keine Vorkenntnisse benötigt, um mit dem Roboter umzugehen. In Nutzerstudien arbeiten wir fortwährend daran sowohl das Äußere, als auch die Reaktionen von GARMI an die Bedürfnisse von Senioren und Seniorinnen anzupassen. Die Reaktionen fallen sehr unterschiedlich aus, sind aber doch zunehmend sehr positiv. Wir lernen daraus, dass GARMI noch flexibler werden muss, um überall dazuzupassen.

"Die Maschinen können besonders leicht bedient werden, beispielsweise indem man sie 'an der Hand nimmt' und die gewünschte Bewegung einmal geführt vormacht oder den Roboter einfach per App steuert."
Professor Sami Haddadin, Ingenieur und Robotertechnik-Forscher
Prof. Sami Haddadin Foto: Andreas Heddergott/TUM

Industrieroboter sind in vielen Produktionsbereichen längst Standard. Unfälle sind selten, aber doch passieren sie. Ist es nicht waghalsig alten Menschen einen Roboter ans Bett zu stellen?

Haddadin: Waghalsig ist es nur dann, wenn die Roboter nicht sicher sind. Das ist und war lange eines der Kernthemen meiner Forschung, zu dem ich auch meine Promotion verfasst habe. Feinfühligkeit, wie oben erwähnt, bedeutet ja auch zusätzliche Sicherheit, die die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter erst ermöglicht. Innerhalb der letzten Jahre konnte die Forschung einen Paradigmenwechsel, weg von der Trennung von Mensch und Maschine zum Beispiel durch Sicherheitszäune, wie wir sie aus der Automobilproduktion kennen, ermöglichen. Die Maschinen können besonders leicht bedient werden, beispielsweise indem man sie “an der Hand nimmt” und die gewünschte Bewegung einmal geführt vormacht oder den Roboter einfach per App steuert. Gleichzeitig ermöglicht Feinfühligkeit auch Sicherheit, der Roboter erkennt Gefahren und stoppt sofort. Hier gibt es aber noch jede Menge Forschungspotenzial, beispielsweise beobachten wir aktuell menschliche Reflexe und versuchen diese Funktion auch den Robotern beizubringen.

Wer den Beruf der Pflege wählt, hat sich bewusst für einen Beruf mit Menschen entschieden. Muss ich künftig als Pflegefachkraft auch wissen, wie ich Maschinen bediene? Welche Kompetenzen sind nötig, um mit einem Pflegeroboter zusammenzuarbeiten?

Haddadin: Das Ziel auf das wir mit unseren Assistenzrobotern hinarbeiten ist ja eigentlich genau das, nämlich, dass den Pflegekräften mehr Zeit für die Arbeit mit den Menschen bleibt. Assistenzsysteme und digitale Lösungen nehmen ihnen idealerweise körperlich anstrengende und monotone Tätigkeiten, wie beispielsweise die Dokumentation ab und schaffen so mehr Zeit für die Patienten und Patientinnen. Die Systeme sind sehr einfach und intuitiv in der Anwendung. Trotzdem denke ich, dass sich der Beruf weiterentwickeln wird oder dass dadurch auch neue Berufsfelder entstehen werden, beispielsweise Geriatronikerinnen. In Garmisch-Partenkirchen setzen wir uns aktuell für einen neuen Campus ein, der sich ausschließlich der “Zukunft der Pflege” widmen soll. Hier soll nicht nur geforscht und gelehrt werden, auf dem Gelände befinden sich auch betreute Wohnformen für Senioren und Seniorinnen, ein Bildungszentrum mit integrierter Pflegeschule und Weiterbildungsangebote für Gesundheitsberufe. So können wir in einem partizipativen Prozess gemeinsam neue Pflege- aber auch Wohnkonzepte realisieren.

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