"Jesus Christus, der Sohn Gottes, trägt nicht nur einen Holzbalken, er trägt die Last der ganzen Menschheit – auch unsere, auch meine ganz persönliche Last."
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas,
wir stehen mitten im österlichen Triduum: Gründonnerstag – Karfreitag – Osternacht. 40 Tage haben wir uns in der Fastenzeit auf diesen Höhepunkt des Kirchenjahres vorbereitet: die Feier von Tod und Auferstehung Jesu Christi. Eigentlich ein Grund zur Freude. Aber in diesen Tagen bleibt vielen die Freude im Hals stecken.
In der Ukraine wütet ein mörderischer Krieg. Unvorstellbares geschieht zwei Flugstunden entfernt. Unschuldige Menschen – Männer, Frauen und Kinder – leiden. Millionen sind auf der Flucht und klopfen an unsere Türen. Gleichzeitig hält uns seit über zwei Jahren die Corona-Pandemie in ihren Klauen. Viele, gerade auch in den sozial-caritativen Einrichtungen sind ausgelaugt und erschöpft und längst an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gekommen. Die Stimmung dieser Tage erinnert viele an einen düsteren Wolkenberg, der bleiern auf allem lastet und alle Freude, alle Leichtigkeit zu ersticken droht.
In den vergangenen Wochen habe auch ich mich oft gefragt: Wie kann ich für mich persönlich diese verwirrende Gemengelage einordnen? Was sagt mir mein Glaube dazu? Und was kann ich zu denen sagen, die mich als Priester um ein Wort bitten? – Es wäre vermessen, würde ich behaupten, ich hätte eine abschließende Antwort. Erlauben Sie mir trotzdem, ein paar persönliche Gedanken, auch wenn sie unvollständig geblieben sind, mit Ihnen zu teilen.
In den vergangenen Wochen habe ich oft den Kreuzweg betrachtet. An drei der 14 Stationen begegnet uns Jesus, wie er von der Last des Kreuzes zu Boden gedrückt wird.
Aber er bleibt nicht liegen. Er steht wieder auf und geht seinen Weg, das Kreuz auf den Schultern weitertragend. Von Dietrich Bonhoeffer, der 1945 von den Nazis im KZ Flossenbürg ermordet wurde, stammt das Wort: „Gott ist ein Gott des Tragens.“ Und wirklich: Jesus Christus, der Sohn Gottes, trägt nicht nur einen Holzbalken, er trägt die Last der ganzen Menschheit – auch unsere, auch meine ganz persönliche Last. Das sagt mir: Gerade dann, wenn ich am Boden bin, wenn ich nicht mehr weiterweiß, wenn mir alles zu schwer wird, ist er an meiner Seite. Dann trägt er mit; dann trägt er mich. – Ein Lichtstrahl der Hoffnung, den mir der Glaube schenkt.
"Nicht auf Distanz bleiben, sich anrühren lassen, mittragen, manchmal auch ertragen und teilen: Das ist der Weg der Caritas in diesen schwierigen Zeiten."
Als ich vor 18 Jahren zum Priester geweiht wurde, habe ich als Primizspruch – das ist eine Art Motto – einen Vers aus dem 1. Korintherbrief gewählt: „Wir verkünden Christus als den Gekreuzigten“ (1,23). Dieses Wort des Apostels Paulus hat in diesen Wochen eine neue Bedeutung für mich bekommen. Der Gott, an den ich glaube und dem ich in Jesus begegne, ist kein billiger Strahlemann für die Sonnenseite des Lebens. Sein Weg ist kein plumpes Vertrösten nach dem Motto „Wird schon wieder“. Gottes Weg ist ein ganz anderer; sein Weg heißt Tragen und Teilen; besonders dann wenn es schwierig wird. Sein Sohn Jesus Christus teilt unser menschliches Schicksal, Freud und Leid nicht nur ein bisschen, sondern ganz und gar. Er bleibt nicht auf sicherer Distanz, sondern trägt und erträgt unser Los; selbst den schrecklichen Tod am Kreuz. Er lässt sich anrühren, berühren, ja verwunden, am Kreuz sogar das Herz aufreißen von der Lanze des Soldaten – für uns, für mich. Gerade die Wunden, die er sich hat schlagen lassen, sind nach seiner Auferstehung die Zeichen, an denen die Jünger ihn als ihren Herrn und Meister und Freund erkennen. – Ein Lichtstrahl der Hoffnung, den mir der Glaube schenkt.
Nicht auf Distanz bleiben, sich anrühren lassen, mittragen, manchmal auch ertragen und teilen: Das ist der Weg der Caritas in diesen schwierigen Zeiten. Mit Dankbarkeit und großem Respekt sehe ich daher Ihren engagierten Einsatz, den Sie unter oft schweren Umständen leisten: für die Kranken und die alten Menschen, für Ratsuchende, für Kinder und Jugendliche, Behinderte, Flüchtlinge und und und… Damit gehen Sie, vielleicht ganz unbewusst, auf dem Weg, den Jesus vorangegangen ist. Damit bringen Sie einen Lichtstrahl der Hoffnung in das Leben der Menschen, die Ihnen anvertraut sind. – Danke für Ihren treuen Dienst!
Ihnen und allen, die Ihnen nahestehen, wünsche ich ein hoffnungsvolles und gesegnetes Osterfest, viel Kraft (besonders denen, die über die Feiertage Dienst tun) und Momente, in denen Sie selbst diesen Lichtstrahl der Hoffnung spüren dürfen!
Ihr
Domkapitular Michael Dreßel
Vorsitzender des Caritasverbandes Regensburg
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