Ein Ort zum Ankommen

06.10.2022


Ein Ort zum Ankommen

Freie Kitaplätze sind rar, die Wartelisten lang. Für geflohene Kinder aus der Ukraine ist es kaum möglich, einen Platz in einer Kindertageseinrichtung zu bekommen. Die Caritas Landshut hat deshalb eine Kinderbetreuung speziell für ukrainische Kinder eröffnet. Die Mehrzahl der Fachkräfte sind ebenfalls Geflüchtete. Anfang September startete das Projekt. Ein Besuch

Das Gebäude der neuen ukrainischen Kinderbetreuung St. Martin in der Oberen Neustadt in Landshut. Foto: Stangl

Ein Freitagvormittag im September in der Caritas-Kinderbetreuung St. Martin in Landshut: Von einem ruhigen Wochenausklang ist hier wahrlich nichts zu spüren. Es herrscht emsiger Betrieb. Handwerker gehen ein und aus, denn die Küche ist noch nicht fertig. Eltern stehen an der Türschwelle oder sind im Gespräch mit den Fachkräften. Die Kinder begrüßen sich. Worte werden ausgetauscht, mal auf Deutsch, mal auf Englisch, mal auf Russisch oder Ukrainisch. Dazwischen Kinderlachen.

Die neue Kinderbetreuung St. Martin der Caritas Landshut richtet sich speziell an ukrainische Kinder, und zwar im Alter von zweieinhalb bis zwölf Jahren. Die Einrichtung liegt im Erdgeschoss einer ehemaligen Grundschule, nahe des Stadtzentrums und in direkter Nachbarschaft zur gleichnamigen Kirche. Aktuell werden dort 30 Kinder betreut, fünf davon sind schulpflichtig und kommen erst nach dem Unterricht in die Betreuung, zum Mittagessen, zum Spielen, zum Lernen. Die Kinder werden in drei Gruppen von insgesamt neun Pädagoginnen betreut – sechs von ihnen sind selbst aus der Ukraine geflüchtet. Immer wieder erschüttern Nachrichten aus der Ukraine den neuen Alltag in der Fremde. Und doch ist hier ein Ort zum Ankommen entstanden.

Auch eine ukrainische Psychologin arbeitet in der Einrichtung. Wir haben sie zu ihren Aufgaben befragt:

Die ukrainische Psychologin Yana Vasylieva in der Kinderbetreuung St. Martin in Landshut. Foto: Stangl

Warum haben Sie sich dazu entschieden, die Psychologinnenstelle zu übernehmen?

Yana Vasylieva: Für mich ist es wichtig, dass ich hier die Möglichkeit erhalte, ukrainischen Kindern zu helfen. Sie sind vom Krieg geflohen, sie haben viele schrecklichen Bilder gesehen, die die Kinderpsyche stark beeinflussen und eventuell sogar nachhaltig schädigen könnten.

Wie unterscheidet sich diese neue Arbeitsstelle zu Ihrer letzten?

In meinem letzten Job war ich an einer Grundschule in der Ukraine. Dort war ich Lehrerin, aber auch die Schulpsychologin. Dadurch kann ich den Kindern helfen, dass sie sich in ihrem sozialen Umfeld besser zurechtfinden.

Warum ist die Kindertagesstätte wichtig für die ukrainischen Kinder?

Hier in der Kindertagesstätte können sich die Kinder, die aus der Ukraine gekommen sind, besser in ihrem neuen Umfeld anpassen. Diese Anpassung ist durch die Kommunikation mit ihren Gleichaltrigen möglich. Sie können hier spielen, singen, malen – all die Sachen, die in ihrem Alter für eine gute Entwicklung so wichtig für sie sind.

Bitte beschreiben Sie, was Ihrer Meinung nach dort zu den wichtigsten Aufgaben gehören wird?

Meine wichtigsten Aufgaben sind, die Kinder in ihre Kinderwelt zu versetzen, ihnen dabei zu helfen, sich an die neuen unbekannten Erzieherinnen zu gewöhnen, neue Freunde zu finden und sich an die neuen Lebensbedingungen zu gewöhnen.

Was wird die größte Herausforderung bei der Arbeit mit den Kindern?

Die größten Herausforderungen bei meiner Arbeit sind Geduld, Loyalität, Toleranz und Liebe zu den Kindern zu haben.

Abschließend noch ein kleiner Blick nach vorne: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass dieses Projekt weiter existiert und Kindern hilft – das ist ein großer Beitrag. Danke an die Caritas für die Eröffnung vom Kindergarten St. Martin.

Seit Anfang September kommen die ersten 25 Kinder zur Eingewöhnung in die Kinderbetreuung St. Martin. Foto: Renner

Die Caritas-Kinderbetreuung St. Martin - Hintergrund, Entstehung, Perspektive:

In Zusammenarbeit mit der Flüchtlingsberatungsstelle konnte im Vorfeld Kontakt zu den geflüchteten Pädagoginnen aus der Ukraine hergestellt werden. Um in Deutschland als pädagogisches Personal anerkannt und staatlich gefördert zu werden, müssen die Deutschkenntnisse der Betreuerinnen auf dem Level B2 sein. Ab dann gäbe es die Möglichkeit, dass man die Einrichtung auch für Kinder öffnet, die nicht aus der Ukraine kommen.

Viele der Kinder, die betreut werden, waren bereits in der Ukraine im Kindergarten und sind es deswegen schon gewohnt, für eine gewisse Zeit von ihren Müttern getrennt zu sein. Trotzdem sind vor allem jetzt in der Anfangszeit die Eltern noch öfters in der Einrichtung präsent, damit sie bei Bedarf für das Kind da sein können.

Außerdem brauchen die Eltern selbst eine gute Einführung in den Ablauf eines bayerischen Kindergartens, da die Kinderbetreuung in der Ukraine andere pädagogische Schwerpunkte hat und die Abläufe anders organisiert sind.

In Zukunft sollen pro Monat sechs bis sieben weitere Kinder aufgenommen werden. Die Nachfrage ist aktuell groß: Jeden Tag erreicht die Einrichtung neue Anmeldungen und es gibt bereits erste Anfragen für nicht-ukrainische Kinder. 

Kontakt für weitere Fragen zur Einrichtung:

Tobias Kuchler (Referatsleiter Kindertagesstätten und Schulen bei der Caritas Landshut)

Telefon: 0871/8051101

E-Mail: tobias.kuchler@caritas-landshut.de

Website: www.caritaslandshut.de

Viele der ukrainischen Kinder sind bereits in der Ukraine im Kindergarten gewesen und sind es deshalb schon gewohnt, über eine längere Zeit von ihren Eltern getrennt zu sein. Foto: Renner/Caritas Landshut
Die Caritas möchte mit der Kinderbetreuung St. Martin den Kindern ein Stück Normalität ermöglichen. Foto: Renner

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