Den Wind in den Haaren, den Dom im Blick: Vanessa Braun arbeitet in der ambulanten Pflege – und fährt mit dem E-Bike zu ihren Patientinnen und Patienten.
Vanessa Braun steigt auf. Das Auto bleibt heute stehen, sie nimmt das E-Bike. 2265 Kilometer hat es schon auf dem Zähler, heute kommen zehn hinzu. Drei Stunden wird die Pflegetour dauern, sieben Patientinnen und Patienten wird die Pflegefachfrau ansteuern. Den Regenradar gecheckt, den Rucksack gepackt, sagt sie: „Stress ist das, was man sich macht.“ Wenn sie mit dem E-Bike unterwegs ist, holt sie das runter; Durchatmen zwischen zwei Patienten.
Vanessa Braun ist stellvertretende Pflegedienstleiterin der Caritas-Sozialstation Mitte-Ost. Ihr Versorgungsgebiet reicht vom Unteren Wöhrd über die Altstadt bis nach Kumpfmühl, hoch zum Fernsehturm. Sie tritt in die Pedale, radelt vorbei an Autos, die durch die Innenstadt schleichen oder um nicht vorhandene Parkplätze kreisen. Dann biegt sie ab, entgegen der Fahrtrichtung in eine Einbahnstraße, „mit dem Fahrrad dürfen wir das“, ruft sie noch, bevor sie ums Eck verschwindet. Schließlich fährt sie über die Eiserne Brücke, dann runter an die Donau, stellt schwungvoll ihr E-Bike ab und klingelt bei der ersten Patientin.
Sie sagt zu ihr: „Jetzt dürfen sie mich umarmen!“ und lagert sie dabei um, raus aus dem Bett. Sie stärkt den pflegenden Ehemann mit den Worten: „Sie sind ja ein echter Pflegeprofi geworden!“ Und nach getaner Morgenwäsche erhält sie eine dankbare Geste von ihrer Patientin: Die Frau mit Alzheimer streicht Vanessa Braun über die Wange, lächelt. Menschen mit Demenz leben oft in ihrer eigenen Welt. Nun reagiert die demente Frau auf die Zuwendung und Präsenz, die Vanessa Braun ihr entgegenbringt. Ein Ritterschlag.
Dann fällt die Tür ins Schloss. Vanessa Braun steigt auf ihr E-Bike, tourt zurück Richtung Innenstadt. Seit 17 Jahren arbeitet sie in der Pflege. Ihre Eltern, beide Lehrer, hätten sie gern verbeamtet gesehen. Doch Vanessa Braun hat schon als Kind lieber Krankenhaus statt Schule gespielt. Bei einem Familienurlaub in Ägypten, sie war 16 Jahre alt, reifte ihr Berufswunsch zur Entscheidung. In Erinnerung an den Urlaub blieben ihr weniger die Korallenriffe im Roten Meer als die große Armut auf den Straßen. Vanessa Braun wollte helfen, etwas tun gegen Not und Einsamkeit. Denn diese gibt es auch in einer reichen Stadt wie Regensburg.
Während die Altstadt strahlt und die Domspitzen über der Stadt thronen, kennt Vanessa Braun auch eine andere Seite der Stadt: ältere Menschen, die allein in ihrer Wohnung leben und zu deren Tageshöhepunkt das Klingeln des Pflegedienstes zählt. Eben öffnet einer die Tür, Vanessa Braun überreicht ihm seine Medikamente, im Wohnzimmer flimmert der Fernseher. Die Wohnung liegt im zweiten Stock und doch Lichtjahre entfernt vom Trubel auf der Straße. Dreißig Treppenstufen sind für den Mann eine unüberwindbare Hürde. Er bleibt zuhause. Eigentlich immer. Vanessa Braun kennt vieler solcher Geschichten.
Wieder hinterlässt sie warme Worte und nimmt dann flink die Treppen zurück ins Erdgeschoss. Sie steigt aufs E-Bike. Den Dom im Blick fährt sie zur nächsten Patientin – mit Rückenwind für die Pflege.
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