Heidi Reichenberger arbeitet als Palliativfachkraft im Alten- und Pflegeheim St. Elisabeth in Viechtach. Sie hat sich im Rahmen des Caritas-Projekts „Wertvoll berühren“ zur Fußmassage- und Aromaölexpertin ausbilden lassen. Hier spricht sie über ihre Arbeit als Palliativfachkraft und darüber, welche Kraft das Berühren im Umgang mit Sterbenden entfaltet:
"Bei einem sterbenden Menschen zu sein, hat für mich eine besondere Qualität. Schon vor dem Zimmer eines sterbenden Menschen halte ich einen Moment inne, atme kräftig durch und betrete leise und langsam den Raum. Es ist ja nicht klar, ob ich dem Menschen noch lebend begegnen werde. Es hat nichts mit Angst zu tun, möglicherweise einen Verstorbenen anzutreffen. Vielmehr ist es die Achtung und der Respekt vor dem Weg, den dieser Mensch gehen muss, und das sichere Gefühl, dass Aktionismus und Hektik sowohl dem Sterbenden als auch mir nicht guttun.
Ich muss den Ausstieg aus dem normalen, lauten, getriebenen Tun schaffen, um selber ruhig und still zu werden. Dann kann ich auch spüren, was es in diesem Moment braucht. Oft ist ein 'liebevolles Unterlassen' und einfach Dasein, wichtiger als jede Anwendung, die ich im Kopf hätte. Diese ruhige Präsenz muss ich immer wieder üben, und manchmal gelingt es mir nicht, abzuschalten und alles draußen vor dem Zimmer zu lassen.
Wenn ich aus meiner Erfahrung heraus glaube, dass dem sterbenden Menschen eine Berührung guttun würde, um ruhiger zu werden, biete ich eine Berührung seiner Füße an. Gerade bei alten Menschen, die nahe körperliche Berührungen oftmals nicht gewohnt sind, die Umarmungen und Körperkontakt selber nicht gepflegt haben, wird die etwas 'entfernte' Berührung über die Füße erfahrungsgemäß leichter toleriert.
Kann sich der Mensch, der vor mir liegt, nicht mehr mitteilen, braucht es mein feines Gespür, meine Intuition das Richtige für mein Gegenüber zu tun. An der Atmung und an der Körperspannung merke ich ganz schnell, ob ihm diese Berührung angenehm ist und diese nonverbale Mitteilung gibt mir wiederum die Erlaubnis, weitermachen zu dürfen oder die Berührung zu beenden.
Es sind keine großen zeitaufwendigen Handlungen, sondern ganz einfache kleine Möglichkeiten, die sich auf nur wenige Minuten beschränken, aber auch ausgedehnt werden können, je nach Situation und Befindlichkeit. Allein das Halten der Fersen in den eigenen Händen oder das Ausstreichen der Füße, unterstützt mit einem duftenden Öl oder einer pflegenden Creme, kann zur Entspannung und zur Linderung von Leid führen.
Damit auch meine Kolleginnen von dieser Möglichkeit der Berührung erfahren und es selbst in die pflegerische Versorgung einbauen können, biete ich ihnen auf Wunsch eine Fußbehandlung an. Durch das eigene Erfahren wird mehr an Wissen und Kompetenz vermittelt als durch das alleinige Erzählen.
Oft ist es für die Angehörigen von Sterbenden am Bett schwer auszuhalten. Die Hilflosigkeit, nichts mehr tun zu können, führt zu Unsicherheit und Sprachlosigkeit. Daher biete ich auch den Angehörigen an, dass ich ihnen einfache Griffe zeige, die sie selbst ausüben können. In der Regel wird das Angebot gerne und dankbar angenommen. Laut Rückmeldung der Angehörigen hat diese Form der Berührung und die Ruhe, die dabei entstanden ist, dabei geholfen die Zeit des Übergangs zu erleichtern."
Protokoll: Anita Kerscher
Über Palliative Care und das Projekt "Wertvoll berühren"
Der Begriff „Palliativ“ leitet sich von dem lateinischen Wort "palliare" ab, "mit dem Mantel umhüllen". Es geht bei "Palliative Care" also darum, bei einem Sterbenden für Schutz und ein Gefühl der Geborgenheit zu sorgen. Ziel ist es, die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen bis hin zum Lebensende professionell zu verbessern.
Für das Projekt "Wertvoll berühren an den Füßen – liebevolle Berührung und Präsenz am Lebensende" der Caritas Regensburg werden Pflegefachkräfte mit Weiterbildung Palliative Care zwei Stunden pro Woche freigestellt, um sich intensiv diesem Thema zu widmen. Leiterin des Projekts ist Anita Kerscher, Referentin für Hospizarbeit und Palliative Care beim Diözesan-Caritasverband Regensburg. Finanziert wird das Projekt zu einem großen Teil durch den Hospizfonds.
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