„Ich bin schon sehr lange Mutter. Ich bin es gewohnt, für die Kinder da zu sein.“
Es könnte auch ein Ferienlager in Burg Regeldorff sein. Kaum etwas verrät, dass die Kinder, die hier Verstecken spielen und um die Bäume flitzen, vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. Es ist ein Frühlingstag in der zweiten Osterferienwoche, am Eingangstor weht die ukrainische Flagge. Nana und ihre Kinder sind vor 38 Tagen eingezogen.
Mehrere Tage waren sie auf der Flucht, von Odessa nach Warschau. Von dort brachte sie ein Hilfstransport mit Caritasdirektor Michael Weißmann nach Regensburg. Mit der Ankunft am 13. März fiel die Anspannung. „Die Kinder waren endlich in Sicherheit“, sagt Nana, die eigentlich Nadiia heißt. Doch „Nana“ nennen sie hier alle. Es ist ein Kosename für "liebevolle Großmutter" – auch wenn nichts an der energiegeladenen Frau großmütterlich anmutet.
Nadiia ist Psychologin und neunfache Mutter. Fünf ihrer Kinder sind Waisen, für die sie die Erziehungsberechtigung übernommen hat. Wer fragt, wie sie das schafft, geflohen vor dem Krieg, mit den Kindern im Exil, erhält die Antwort: „Ich bin schon sehr lange Mutter. Ich bin es gewohnt, für die Kinder da zu sein.“ Kein Wort der Überforderung oder der Erschöpfung. Ihr Blick ist stolz, das Lachen laut und herzlich.
Neben Nana sitzt unter blühenden Apfelbäumen auf einem hölzernen Klappstuhl Fritz Reil, Diakon im Ruhestand. Er hat das alles eingefädelt. Ende der 1990er-Jahre fuhr er zum ersten Mal nach Odessa, um medizinische Hilfsgüter dorthin zu bringen. Auf dieser Reise entstanden Kontakte, die bis heute gehalten haben. Aus Partnern in der sozialen Projektarbeit wurden Kriegsflüchtlinge. Reil organisierte Unterkünfte, zwei Frauen aus Odessa kamen bei ihm unter, für Nana und die Kinder machte er Burg Regeldorff frei, ein Freizeitgelände und Jugendheim der Pfadfinder St. Wolfgang.
"Wie geht es dir? Mir geht es gut."
„Wie geht es dir?“ fragt eine Studentin, die Russisch spricht und ehrenamtlich in Burg Regeldorff Deutsch unterrichtet. Nana und ihre Kinder sitzen im Stuhlkreis, das Unterrichtsthema heute lautet: Gefühle. „Mir geht es gut“, sagt ein Mädchen. „Wie geht es dir?“ Die Kinder lernen schnell. Nach den Osterferien wird Nastja, die Älteste, die zehnte Klasse des Goethe Gymnasiums in Regensburg besuchen, auch ihre Geschwister werden dann in den Kindergarten, die Grund- oder Realschule gehen. Schritt für Schritt bauen sich Nana und ihre Kinder einen neuen Alltag auf, am Flüsschen Regen, weit entfernt von ihrer Heimat am Schwarzen Meer.
Nana erzählt von der Hilfe, die sie bekommen. Im Ort Regendorf bei Zeitlarn wurden sie warm und herzlich aufgenommen. Die Bürgermeisterin begrüßte sie, die Freiwillige Feuerwehr fuhr die Kinder im Feuerwehrauto zur Registrierung ins Rathaus, bergeweise Kleidung wurde gespendet und jedes Kind, "das ist unglaublich", bekam ein gebrauchtes Fahrrad. Damit brettern die Kinder über die verschlungenen Wege des Gartens von Burg Regeldorff. Den Fahrtwind in den Haaren wirken sie nahezu unbekümmert.
Doch wenn Flugzeuge den Himmel kreuzen, muss Nana erklären, dass es keine Raketen sind. Wenn nebenan Bauschutt poltert, zucken die Kinder zusammen. Und als kürzlich die Feuerwehrsirene aus dem Dorf ertönte, liefen die Kinder zusammen, wie sie es in Odessa gelernt hatten, blickten sich unruhig an und fragten: Müssen wir jetzt in den Luftschutzbunker? Es wird noch dauern, bis die Kinder verinnerlichen: Hier sind sie sicher.
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