"Tod und Sterben gehören zu unserer Lebenswirklichkeit"

04.11.2022


"Tod und Sterben gehören zu unserer Lebenswirklichkeit"

Anita Kerscher ist bei der Caritas für den Bereich „Hospiz und Palliative Care“ zuständig. Was bedeutet das?

Kerzenlichter erinnern häufig an verstorbene Angehörige und sind Zeichen von Trauer und Andacht. (Foto: unsplash.com)

Frau Kerscher, begleiten Sie sterbende Menschen?

Anita Kerscher: Davon gehen Viele aus, wenn sie den Namen der Fachstelle lesen. Nein, ich bin keine ausgebildete ehrenamtliche Hospizbegleiterin. Meine Aufgaben sind sehr vielfältig und abwechslungsreich, aber die Begleitung von sterbenden Menschen und deren Angehörigen gehört nicht dazu.

Bevor wir zu ihren Aufgaben kommen, würde mich interessieren, was man unter den beiden Begriffen Hospiz und Palliative Care eigentlich versteht?

Anita Kerscher: Hospiz, lateinisch „hospitum“, bedeutet Herberge und Gastfreundschaft. Im Mittelalter boten Mönche den Pilgern an besonders gefährdeten Stellen Hilfe und Schutz an. Vor etwa 35 Jahren entstand in Deutschland die Hospizbewegung als Bürgerbewegung. Es waren vor allem Frauen aber auch ein paar Männer, die sich nicht damit abfinden konnten, dass Menschen als austherapiert galten und zum Sterben in Badezimmern und Abstellräumen der Krankenhäuser und Pflegeheime abgeschoben wurden. Über 120.000 Frauen und Männer aus allen gesellschaftlichen Bereichen begleiten heute ehrenamtlich Menschen am Ende ihres Lebens sowie deren Angehörige – zu Hause, in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und in stationären Hospizen und setzen sich für eine Enttabuisierung des Sterbens ein. Alle Begleiter*innen werden auf ihre Aufgabe durch eine Ausbildung vorbereitet und im weiteren Verlauf immer wieder durch Fortbildungen weitergebildet und durch Supervision unterstützt.

Hat die Caritas Regensburg Hospizdienste?

Anita Kerscher: Ja, wir haben in Caritasträgerschaft drei Hospizdienste. Sie sind in Cham, Nittenau und Tirschenreuth. Aber Gott sei Dank gibt es in fast jeder größeren Stadt in der Diözese mittlerweile einen Hospizdienst

Die Netzwerkarbeit in den Caritas-Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten funktioniert mit allen Hospizdiensten sehr gut, unabhängig von der Trägerschaft.

Und was ist Palliative Care?

Anita Kerscher: Der Begriff „Palliativ“ leitet sich von dem lateinischen Wort „palliare“ – mit dem Mantel umhüllen – ab. Jemand Schutzbedürftigen mit einem Mantel zu umhüllen bedeutet, dafür zu sorgen, dass es ihm trotz widriger Umstände möglichst gut geht und dass er sich in Sicherheit fühlt.

Palliative Care lässt sich mit Palliativversorgung erklären. Es geht darum, die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen im gesamten Krankheitsverlauf bin hin zum Lebensende zu verbessern.

Wenn die hausärztliche Versorgung nicht mehr ausreicht und durch die Palliativmedizin unterstützt werden muss, wenn die pflegerische Versorgung durch eine palliative Pflege ergänzt werden muss und wenn dazu noch die seelsorgerliche und psychosoziale Begleitung angeboten wird, spricht man von einer Palliativversorgung. Diese kann zu Hause, in einem Pflegeheim, auf einer Palliativstation oder im stationären Hospiz stattfinden.

Anita Kerscher betreut den Bereich Hospiz und Palliative Care bei der Caritas Regensburg.

Jetzt zurück zu Ihren Aufgaben. Wenn Sie sterbende Menschen nicht begleiten, was machen Sie dann?

Anita Kerscher: Vor fünf Jahren wurde der Teilaspekt Hospiz und Palliative Care meiner Referententätigkeit in der ambulanten Pflege zur Halbtagsstelle aufgewertet und darüber bin ich sehr glücklich. Eine meiner Hauptgaben ist die Weitergabe von Informationen von der Bundes- und Landesebene zu Gesetzesänderungen, Verordnungen, Vorschriften und Bestimmungen. Darüber hinaus ist es mir ein großes Anliegen, dass in den Caritas Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten ein Palliativkonzept zur Orientierung für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vorliegt und das mit den Inhalten ständig gearbeitet wird, damit es kein Papiertiger bleibt.

Gibt es nicht auch einen Hospizfonds vom Bistum?

Anita Kerscher: Ja, seit vier Jahren erhalte ich jährlich bis zu 80.000 Euro für die Hospiz- und Palliativarbeit. Mit diesem Geld können Projekte in den Caritas Alten- und Pflegeheimen verwirklicht werden. Ein Projekt, das in sechs Pflegeeinrichtungen umgesetzt wird, ist das Projekt „Wertvoll berühren“, dass Menschen zugutekommt, die sich im Endstadium der Demenz oder im Endstadium einer chronischen Erkrankung befinden und sich nicht mehr mitteilen können. Über den Hospizfonds kann wöchentlich eine Freistellung der Palliative-Care-Kräfte von zwei Stunden für die Begleitung dieser Menschen gewährt werden. Die Ergebnisse und Erfahrungen aus den letzten drei Jahren zeigen, dass nicht nur die Betroffenen und Angehörigen davon profitieren, sondern vor allem die Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen, die sich am Projekt beteiligen.  Auch können Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen bezahlt werden, um das Fachwissen und die Umsetzungskompetenz unserer Mitarbeiter*innen in diesem wichtigen Bereich der Pflege weiterentwickeln zu können.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dass die Themen Sterben, Tod und Trauer nicht noch mehr aus der Lebenswirklichkeit verschwinden, an Institutionen und Profis abgegeben, outgesourct werden. Das führt meiner Meinung nach dazu, dass die Gesellschaft kälter und egoistischer gegenüber kranken, alten und gebrechlichen Menschen wird. Es braucht menschliche Wärme und Begleitung, nicht nur durch professionelle Kräfte, sondern vor allem durch An- und Zugehörige und Hospizbegleiter, die da sind und dableiben, auch wenn es schwierig wird. Und dass trotz hochmoderner Medizin und Technik ein Mensch sterben kann und darf, wenn er es verfügt hat.

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