„Die Pflege hat mich gefunden.“

03.12.2022


„Die Pflege hat mich gefunden.“

Unmaskiert – die Caritas zeigt Gesicht: In dieser Serie legen Mitarbeitende ihre Masken ab und erzählen von ihrer Arbeit bei der Caritas. Heute spricht Agata Baumgartner. Sie ist Pflegefachfrau und arbeitet als Palliativfachkraft im Caritas Alten- und Pflegeheim Friedheim; dort insbesondere in der Pflegeoase, einer innovativen Wohnform für Menschen mit schwerer Demenz.

Agata Baumgartner mit dem Klangkissen. Es spielt entspannende Musik und vibriert beruhigend, wenn jemand danach greift. Auf Menschen mit Demenz, die über ihre Sprache nicht mehr mit der Welt kommunizieren können, hat es eine nahezu heilsame Wirkung.
"Niemand in meiner Familie arbeitete im Pflegeberuf. Sie sagten vielmehr, ‚geh‘ doch in die Bank‘. Aber die Pflege hat mich gefunden."
Pflegefachfrau Agata Baumgartner

„‘Ah, du warst wieder in der Pflegeoase!‘ Mit diesen Worten begrüßt mich meine Familie manchmal, wenn ich von der Arbeit nach Hause kommen. Meine beiden Töchter und mein Mann spüren offenbar meine Zufriedenheit und die Ruhe, die ich mitbringe, wenn ich in der Pflegeoase gearbeitet habe.

In der Pflegeoase leben vor allem Menschen mit Demenz im fortgeschrittenen Stadium. Ihre Orientierungs- und Kommunikationsfähigkeiten sowie deren Mobilität sind stark eingeschränkt. Die Demenzpatienten leben in Doppel- und Einzelzimmern, deren Schiebetüren sich weit in den Raum öffnen lassen – in die Gemeinschaft, ins soziale Leben. Denn wesentlich beim Modell der Pflegeoase ist, dass die Menschen mit Demenz in ihrer letzten Lebensphase nicht vom sozialen Leben ausgeschlossen sind, sondern zumindest passiv, insbesondere über die Ansprache ihrer Sinne, daran teilnehmen können. Das Zentrum der Pflegeoase bildet die Wohnküche: Dort duftet morgens der Kaffee und das Wasser in der Spülmaschine gluckert. Das sind vertraute Geräusche und Düfte. Sie rufen bei den Bewohnern Erinnerungen an das frühere, häusliche Wohnen und Gefühle der Sicherheit und Geborgenheit wach.

Ich bin 1983 in Hindenburg in Polen geboren, mit elf Jahren kam ich mit meiner Familie nach Deutschland. Ich hatte eine Freundin, deren Mutter Krankenschwester war. Mich interessierte, was sie tat. Dass sie Menschen hilft. Ich machte daher bald ein Praktikum im Krankenhaus und von da an wusste ich: Das will ich machen. Niemand in meiner Familie arbeitete im Pflegeberuf. Sie sagten vielmehr, ‚geh‘ doch in die Bank‘. Aber die Pflege hat mich gefunden. Es ist wie eine Berufung.

Ich machte also nach der Schule die Ausbildung zur Krankenpflegerin. Im Krankenhaus gab es aber keine passende Stelle. Ich wollte nicht im OP arbeiten, daher bewarb ich mich in Altenheimen. Das Bewerbungsgespräch im Friedheim gefiel mir sehr gut und seit 2003 arbeite ich nun hier. Ich bildete mich fort zur Wohnbereichsleiterin und zur Palliativfachkraft. Über das Modellprojekt ‚achtsame Begleitung und Fürsorge von dementiell erkrankten Menschen‘ bin ich zwei Stunden in der Woche freigestellt, um mich intensiv diesem Thema zu widmen. Daher bin ich oft in der Pflegeoase.

Agata Baumgartner in der Pflegeoase: Als Pflegefachkraft trägt sie nach wie vor eine FFP2-Maske. Von sich und ihrer Arbeit hat sie dennoch offen erzählt. (Fotos: Caritas Regensburg/Schophoff)
"Ich lernte vieles über den Umgang mit Sterbenden. Ich erfuhr vom heilsamen Wert von Berührungen, von Massagen und Waschungen, von Düften und Klängen, zudem vom Wert des Zuhörens und Stillseins."
Agata Baumgartner über ihre Weiterbildung zur Palliativfachkraft

Seit etwa einem Jahr arbeite ich dort mit einem Klangkissen. Es spielt entspannende Musik und vibriert beruhigend, wenn jemand danach greift. Auf Menschen mit Demenz, die über ihre Sprache nicht mehr mit der Welt kommunizieren können, hat es eine nahezu heilsame Wirkung. Sie hören die Klänge und spüren die Vibrationen. Die Muskeln entspannen sich, manche lächeln sanft, andere schlafen ein. Das Klangkissen kann von innerer Unruhe ablenken und Ängste lösen.

In all den Monaten gab es nur einen einzigen Bewohner, der sagte: ‚Nein, das regt mich auf.‘ Ansonsten machte ich sehr gute Erfahrungen. Eine demente Frau, die aufgrund von Kontrakturen in ihren Bewegungen stark eingeschränkt war, griff ruckartig nach dem Kissen – und als die Musik ertönte und das Kissen vibrierte, entspannte sie sich. Dann hatten wir eine Bewohnerin, die stets sagte: ‚Ich kann nichts mehr. Das ist kein Leben mehr.‘ Aber wenn sie das Kissen zu sich holte, ertönte Musik. Sie aktivierte es eigenständig und das erfüllte sie mit Stolz.

"Man muss sich den Menschen als Ganzes ansegen, was er in seinem Leben erlebt und bewirkt hat."
Pflegafachfrau Agata Baumgartner

Als ich mich ab dem Jahr 2005 in Palliative Care fortbildete, war ich meinem ersten Sterbenden bereits begegnet: Mein Onkel starb als junger Mann an einem Hirntumor. Damals war ich noch sehr unbeholfen. Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Ich habe mich auch nicht getraut, zu ihm zu gehen. Erst im Rahmen meiner Fortbildungen lernte ich vieles über den Umgang mit Sterbenden. Ich erfuhr vom heilsamen Wert von Berührungen, von Massagen und Waschungen, von Düften und Klängen, zudem vom Wert des Zuhörens und Stillseins. Bald erkrankte auch meine Mutter an einem Hirntumor. Nun half mir mein erworbenes Wissen dabei, sie bis zu ihrem Tod zu begleiten. 

Heute habe ich einen professionellen Zugang zu Palliativpatienten. Man muss sich den Menschen als Ganzes ansehen, was er in seinem Leben erlebt und bewirkt hat. Es macht mich glücklich, wenn ich sehe, was ich tue, bringt etwas. Das merken auch meine Kinder. Und wenn ich nach Hause komme, sagen sie: ‚Ah, du warst wieder in der Pflegeoase.‘“ 


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