Verkaufstalente für die Caritas

22.04.2022


Verkaufstalente für die Caritas

Die ehrenamtlichen Helferinnen der Kleiderkammer (v.l.n.r.) Alma Schmidkonz und Rita Bier. Fotos: Veronika Schlosser/Caritas Weiden

Montagnachmittag, 14 Uhr, im Gebäude des Kreis-Caritasverbandes in der Bismarckstraße: Die Ehrenamtlichen der Caritas-Kleiderkammer sperren ihre Räumlichkeiten auf und ihr Dienst beginnt. Säckeweise tragen sie die angelieferten Waren in die Kleiderkammer, denn die gespendete Kleidung wird zuvor genauestens auf Flecken und Löcher geprüft, nur gut Erhaltenes kommt in die Regale. Dabei entgeht den Argusaugen der Damen nichts: „Für unsere Kunden nur die beste Ware“, so Rita Bier, die seit 28 Jahren ehrenamtlich in der Kleiderkammer tätig ist – und das ohne auch nur einmal zu fehlen. Auch ihr Mann Jörg packt mit an. Die Kollegin Alma Schmidkonz steht ihr in Nichts nach – seit 26 Jahren macht sie die Kleiderkammer zu dem, was sie heute ist: Eine Einkaufsmöglichkeit für Menschen in Not, Bedürftige, Wohnungslose und Strafentlassene – sie alle können hier zum fairen Preis einkaufen, und das in wertschätzender Atmosphäre. Das Team berät Kunden, welche Leggings am besten zu dem schwarzen Kleid passt oder greift Männern bei der Auswahl der richtigen Größe unter die Arme. Das Angebot reicht von Haushaltswaren über Taschen hin zu Textilien. Hier ist für jedermann etwas dabei: Von junger Mode in kleinen Größen, bis hin zu klassischer Mode in XXXL. Die gebrauchten Waren sind alle sauber, qualitativ hochwertig, oftmals sogar neu. Um 15.30 Uhr geht dann endlich die Türe auf, die ersten Kunden warten schon und freuen sich auf den Einkauf in der Kleiderkammer, laufend füllt das Team die Waren nach.

Als Bier 1994 zum ersten Mal zur Caritas Weiden-Neustadt kam, half sie ein paar Frauen beim Sortieren von Kleidern und Haushaltswaren, die einmal jährlich im Rahmen eines Flohmarktes im Innenhof des damaligen Sozialzentrums verkauft wurden. „Einmal regnete es in Strömen, die ganze Planung und die viele Arbeit war alles umsonst. Da wussten wir, dass wir unser Konzept umstellen müssen.“ 1996 kam Alma Schmidkonz zum Team. Gemeinsam sortierten die beiden die Waren und richteten in der Nikolaistraße eine Ausgabestelle ein, in der die Bedürftigen kostenlos die Waren erhielten. Doch auch dieses Konzept bewährte sich nicht. „Was kostenlos ist, ist nichts wert. Oftmals lagen die Kleider, die nicht passten oder nicht gefielen, einfach im Innenhof herum“, ärgert sich Schmidkonz noch heute. Wieder verbesserten die zwei die Rahmenbedingungen: „Wir gingen dazu über einen kleinen Obolus für die Waren zu verlangen. Denn was etwas kostet, wird auch anders wertgeschätzt.“ Dabei verlangt die Kleiderkammer keine Unsummen, auch mit Pfennigbeträgen geben sie sich zufrieden. „Wertigkeitserziehung“ nennen sie es liebevoll. „Schließlich sollen sich unsere Kunden wie Kunden fühlen und nicht wie Bettler, die auf das letzte Hemd angewiesen sind.“, erklärt Schmidkonz. 

Oftmals sortierten sie montags bis weit in die Nacht hinein, damit Dienstag früh die Kleiderkammer öffnen konnte und die neu gespendeten Waren fein säuberlich in den Regalen auslagen. Das ist ihr Ritual: Sofort nach Ladenschluss wird alles wieder aufgeräumt und einladend präsentiert, denn die beiden wissen: Auch das Auge kauft mit. „Es hat einfach einen anderen Beigeschmack, ob man aus einem Wühltisch ein verknittertes T-Shirt fischt oder ob es ordentlich auf einem Kleiderbügel hängt.“, begründen es die beiden.  

„Eines Tages stand eine ältere Frau mit Filzpantoffeln mitten im Winter in der Kleiderkammer. Unter ihrem Mantel schaute das Nachthemd hervor. Da merkte man das bittere Elend.“
Rita Bier, Ehrenamtliche in der Kleiderkammer der Caritas Weiden

Mehr als nur Kleiderkammer

Über die Jahre hinweg haben sie die Kleiderkammer zu dem gemacht, was sie heute ist: eine stadtbekannte Anlaufstelle für Menschen in Not, die Kleidung oder Haushaltsgegenstände benötigen. Doch sie ist weit mehr als das! Durch die vielen Stammkunden erlebten Bier und Schmidkonz zigfache Schicksale hautnah mit. „Eine ältere Stammkundin umarmte uns immer vor Glück und meinte ihr seid meine zweite Familie, ich habe sonst niemanden zum Reden. Auch Frauen, die sich nicht zu ihrem Ehemann nach Hause trauten, gab es schon. Zum Glück sind wir mit den Caritas Beratungsstellen gut vernetzt – für die Dame wurde noch am selben Tag eine Unterbringungsmöglichkeit gefunden.“, erzählt Schmidkonz. Während der Flüchtlingskrise 2015 spiegelten sich auch in der Kleiderkammer schwere Notlagen wider, wie Bier berichtet: „Eines Tages stand eine ältere Frau mit Filzpantoffeln mitten im Winter in der Kleiderkammer. Unter ihrem Mantel schaute das Nachthemd hervor. Da merkte man das bittere Elend.“

Aber auch von positiven Ereignissen können die beiden Damen aus ihrem langjährigen Erfahrungsschatz berichten: „Eine bekannte Weidener Geschäftsfrau kam häufig zum Einkaufen zu uns in die Kleiderkammer. Da wunderten wir uns anfangs schon. Bis wir dahinterkamen, dass die Dame die gekauften Sachen an Bedürftige verschenkt, die den Weg zur Kleiderkammer aus gesundheitlichen Gründen nicht bewältigen konnten.“, schildert Schmidkonz.

Schwere Zeiten kennen die beiden Überzeugungstäter übrigens nicht. „Selbstverständlich gab es während der Flüchtlingskrise vermehrten Bedarf, aber das war alles zu schaffen, auch wenn wir uns oft mit Händen und Füßen verständigen mussten.“ Gedanken ans Aufhören kam den beiden Damen, die mittlerweile über 80 Jahre alt sind, nie. „Wenn ich was anpacke, dann zieh ich es auch durch“, so Bier. „In unserem Alter ist kein Tag wie der andere, aber solange die Gesundheit mitspielt und ich mobil bin, helfe ich mit.“, führt Schmidkonz weiter aus. Und das seit über 25 Jahren. Dabei fielen die beiden nicht einmal aus, sondern traten immer ihren Dienst in der Kleiderkammer an. Und das obwohl die Arbeit auch körperlich anstrengend ist, denn häufig werden die Spenden in großen Säcken oder schweren Kisten angeliefert. Seit mittlerweile 15 Jahren hilft auch Biers Ehemann Jörg mit, der die Waren vom Lagerraum in die Kleiderkammer trägt. Selbstverständlich darf bei all der Wohltätigkeit die Geselligkeit nicht zu kurz kommen: Immer, wenn der Kundenstrom etwas nachlässt, setzt sich das mittlerweile siebenköpfige Team zu einem gemeinsamen Frühstück zusammen.

Ein Musterbeispiel für generationenübergreifendes Arbeiten (v.l.n.r.): Rita Bier, Alma Schmidkonz und Ann-Christin Held.

Den großen Traum für die Zukunft „ihrer“ Kleiderkammer haben die beiden auch: Bei aller Diskussion um Nachhaltigkeit würden sie sich mehr Kunden wünschen. Die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung ist riesig, der wahllose Konsumwahn immer noch spürbar. Vor der Pandemie hatten sie einen festen Kundenstamm von 70 bis 80 Personen. Viele von ihnen kommen gerne wieder, denn die Waren sind von bester Qualität. Selbst der zusätzliche Ansturm durch die ukrainischen Flüchtlinge wirft das Team nicht aus der Bahn. Von der kleinen Nische in der Nikolaistraße, in der alles begann, wo sich der Kreisverband bis zum Umzug in die Bismarckstraße befand, über die Flüchtlingswelle, die Corona Pandemie und den aktuellen Bedarf der ukrainischen Flüchtlinge: Die Kleiderkammer ist und bleibt ihr Kind, das sie großgezogen haben.

Alt und Jung im Team

Wie viele Kleidungsstücke das Team schon vor dem Reißwolf gerettet hat, können sie nicht genau sagen. Aber eines: „Die Tätigkeit in der Kleiderkammer hält jung, man ist immer in Bewegung und auch der Kopf ist gefragt.“, so Schmidkonz - und das sieht man am Team der Kleiderkammer. Anfang Oktober startete die Caritas Weiden-Neustadt einen Aufruf in der Zeitung und fand Unterstützung für das kleine Team. Gleich drei weitere Freiwillige packen nun tatkräftig mit an. Was das Team besonders freut: Es konnte auch eine junge Studentin gefunden werden, die frischen Wind und neue Ideen mitbringt. Ein Musterbeispiel für generationenübergreifendes Arbeiten, denn zwischen den Ehrenamtlichen liegt teilweise ein Altersunterschied von 60 Jahren. Alt und Jung gemeinsam – das funktioniert hier wunderbar, denn jeder kann seine Stärken miteinbringen. So sieht das auch Ann-Christin Held, mit Mitte 20 die Jüngste im Team: „Natürlich hatte ich anfangs Bedenken, ob ich mit den Damen überhaupt ein gemeinsames Gesprächsthema finde. Aber ich wurde vom ersten Tag an herzlich aufgenommen und fühle mich hier wohl. Der ökologische Fußabdruck ist meiner Generation besonders wichtig und hier findet man echt coole Sachen. Vintage Fans kommen voll auf ihre Kosten, wir haben sogar einen Thermomix von 1982. Aber den geben wir nicht hier, der ist unser Ausstellungsstück.“ Eine positive Botschaft hat Bier noch zum Schluss: „Man kann uns nicht überrennen, unser Lager ist prall gefüllt mit Frühjahrs- und Sommerbekleidung und wir freuen uns, jedem Kunden helfen zu können.“ Geöffnet ist die Kleiderkammer montags von 15.30 bis 17.00 Uhr sowie dienstags von 9.00 bis 12.00 Uhr.

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