Von Corona zum Wandel in der Pflege

12.05.2022


Von Corona zum Wandel in der Pflege

Nie waren die Arbeitslast und die Herausforderungen in der Pflege größer als während der Corona-Pandemie. Was muss sich ändern? Diese Frage war Thema des Altenhilfekongresses der Caritas Regensburg. Antworten gab es aus der Politik, aus der Forschung und aus der Praxis. Ein Beitrag zum Tag der Pflege

Der Caritas-Altenhilfekongress im Kolpinghaus: Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek nahm digital an der Podiumsrunde teil. Weitere Teilnehmende (v.li.): Robotik-Forscher Professor Dr. Sami Haddadin, Moderator und Leiter der Verbandspolitik und Kommunikation der Caritas, Harry Landauer, Diözesan-Caritasdirektor Michael Weißmann und Claudia Hauck, Geschäftsführerin der Caritas-Gemeinschaft für Pflege- und Sozialberufe. Foto: Hans-Christian Wagner

Dürfen wir vorstellen, Kollege Garmi. Er unterstützt ältere Menschen bei der Hausarbeit oder der Körperhygiene. Garmi leitet aber auch Gymnastikübungen an oder assistiert bei einem telemedizinischen Arztbesuch. Garmi ist kein Pfleger, nein, er ist ein humanoider Roboter. Entwickelt wurde er von dem Münchner Ingenieur und Robotik-Forscher Professor Sami Haddadin.

Erfinder Haddadin präsentierte seine Vision von der Zukunft der Pflege am Altenhilfekongress der Caritas Regensburg. Rund 250 Gäste kamen hierfür am 11. Mai ins Kolpinghaus. Die Podiumsrunde war mit Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (digital zugeschaltet) und dem Robotik-Forscher Haddadin hochkarätig besetzt. Praxisnah und fachkompetent bereicherten Claudia Hauck, Geschäftsführerin der Caritas-Gemeinschaft für Pflege- und Sozialberufe, sowie Caritasdirektor Michael Weißmann – beide gelernte Pflegefachkräfte – die Gesprächsrunde.

„Die Pflege ist eine tragende Säule der Gesellschaft“, sagte Weißmann. Die Caritas beschäftigt in der Diözese Regensburg etwa 4500 Mitarbeitende in der Altenpflege. Nie waren die Arbeitslast und die Herausforderungen für sie größer, als während der Corona-Pandemie. Was sind die Lehren aus dieser Krise? Was muss sich ändern? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Kongresses „Zukunft pflegen“ – und waren zunächst an Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek gerichtet.

„Ich brenne für dieses Thema. Jetzt ist das Fenster offen, jetzt müssen wir etwas verändern – bevor noch mehr Pflegekräfte ausbrennen“, sagte Holetschek. Er will mit einer Reform das Pflegesystem tiefgreifend verändern. Er nennt als Beispiel steuerlich begünstigte Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste, aber auch den Bau von Wohnungen für Pflegefachkräfte und den Umbau der Pflegeversicherung. „Wir dürfen nicht beim Applaus und den guten Worten stehen bleiben. Es wird unter den Pflegekräften nur Vertrauen geben, wenn wir Taten folgen lassen.“

Dieses Vertrauen ist dringend nötig. Denn der demografische Wandel trifft die Pflegebranche doppelt: Immer weniger Erwerbstätige treffen auf immer mehr Pflegebedürftige. Einer Studie der Bertelsmannstiftung zufolge fehlen bis zum Jahr 2030 rund 500.000 Pflegekräfte. Und das, obwohl deren Zahl absolut gesehen steigt. Allein im ambulanten Bereich sind seit dem Jahr 2013 mehr als 100.000 Pflegekräfte bundesweit hinzugekommen. Auch die Ausbildungszahlen bei der Caritas im Bistum Regensburg steigen stetig.

„Die Pflegenden kompensieren vieles, was eigentlich grundfalsch läuft“, sagt Claudia Hauck, Geschäftsführerin der Caritas-Gemeinschaft für Pflege- und Sozialberufe. Die Coronakrise hätte Schwächen des Gesundheitssystems sichtbar gemacht. „Wir brauchen jetzt den Wandel.“ Dazu gehöre auch, dass Schluss sein müsse, mit der Selbstaufopferung der Pflegekräfte. Hauck plädierte für Selbstfürsorge und Solidarität sowie besserer Organisation untereinander. „Die Pflege muss dort mitreden, wo Entscheidungen getroffen werden – auf höchster Ebene.“ Ein weiterer Baustein, die Attraktivität des Pflegberufes zu erhöhen, sei, ihn zunehmend zu akademisieren. „Wir haben ein sehr medizinorientiertes Gesundheitssystem“, sagt Hauck. Die Pflegewissenschaftlerin plädiert für mehr universitäre Forschung und Lehre auch im Pflegebereich.

Die Teilnehmer der Podiumsrunde beim Caritas-Altenhilfekongress „Zukunft pflegen“ am 11. Mai im Kolpinghaus: Moderator und Leiter der Verbandspolitik und Kommunikation der Caritas, Harry Landauer, Claudia Hauck, Geschäftsführerin der Caritas-Gemeinschaft für Pflege- und Sozialberufe, Diözesan-Caritasdirektor Michael Weißmann und Robotik-Forscher Professor Dr. Sami Haddadin. Foto: Hans-Christian Wagner

Nicht zuletzt soll die Technologie den Pflegesektor wandeln und voranbringen. Haddadin und Kollegen setzen sich in Garmisch-Partenkirchen aktuell für einen neuen Campus ein, der sich ausschließlich der “Zukunft der Pflege” widmet. Hier soll nicht nur geforscht und gelehrt werden, auf dem Gelände befinden sich auch betreute Wohnformen für Senioren und Seniorinnen, ein Bildungszentrum mit integrierter Pflegeschule und Weiterbildungsangeboten für Gesundheitsberufe. „So können wir in einem partizipativen Prozess gemeinsam neue Pflege- aber auch Wohnkonzepte realisieren.“

Der Robotik-Forscher Haddadin ist in der Szene „übrigens ein Star“, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt. Im Mai 2021 nahm das Patent- und Markenamt eine seiner Erfindungen in die Liste der Meilensteine deutscher Erfindungen auf: den taktilen Roboterarm. "Die Pflegeroboter haben buchstäblich 'Fingerspitzengefühl'", sagt Haddadin. Das Fingerspitzengefühl ermöglicht Sicherheit im Umgang mit dem Pflegeroboter.

Das Ziel, auf das Haddadin mit Assistenzrobotern wie Garmi hinarbeitet, ist, dass den Pflegekräften mehr Zeit für die Arbeit mit den Menschen bleibt. „Pflegeroboter sollen den Menschen nicht ersetzen, sondern ihn unterstützen.“ Assistenzsysteme und digitale Lösungen nehmen Pflegefachkräften idealerweise körperlich anstrengende und monotone Tätigkeiten ab, wie beispielsweise die Dokumentation. So heißt es vielleicht bald im Altenheim: Dürfen wir vorstellen, Kollege Garmi.

Will nicht weniger als die Pflege revolutionieren: Ingenieur und Robotik-Forscher Professor Dr. Sami Haddadin. Foto: Hans-Christian Wagner

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